Drinnen die Kunst, die Freunde, die Besucher, die Künstler*innen, die Affordable Art Fair ist gefüllt, es ist Vernissage Abend, Donnerstag, der 9. November 2023. Ich führe ein intensives Gespräch mit Friederike Just, das eigentlich für heute hier stellen sollte. Dann gehe ich raus in die dunkle Nacht, es ist beinahe halb Elf. Schon an der übernächsten Ecke die ersten Kerzen vor der Tür, daneben die Pflastersteine. Es ist der 85. Jahrestag der Reichspogromnacht, in der die Synagogen und jüdischen Einrichtigungen in Nazi-Deutschland brannten. Ich hatte es vergessen.
So geht es weiter, beinahe vor jedem fünften Haus stehen Kerzen, manchmal auch Blumen, vorbei am Gericht, wieder Kerzen, Pflastersteine, ein Kranz, bis ich vor dem Tor des Tempels stehe, meinem Domizil für die Nacht, auch hier Kerzen, ebenso vor dem Eingang des Nachbarhauses.
Erste Reform-Synagoge (Tempel) und vielleicht bald Weltkulturerbe
Der Blick auf die Halbruine von 1844, auf die hundert Jahre später, 1944 eine englische Fliegerbombe fiel, ist verändert. Der Himmel darüber ist leuchtender, so als würde er mahnen: Nicht vergessen (!), auch wenn die Dimension des Grauens unsere Vorstellungskraft in unserem behüteten Alltag weit übersteigt.
Leuchter Wilhelm Wagenfeld, 1930er Jahre, Vase Martha Katzer
Oben angekommen zünde ich meine Kerzen der Erinnerung an und schaue eine Dokumentation, die ich unbedingt empfehlen möchte: Drei Frauen ein Krieg, 2023. Drei berühmte Kriegsreporterinnen berichten mit ihren Fotografien, Filmausschnitten und Texten: Martha Gellhorn, Lee Miller und Margaret Bourke-White. Sie haben eine berührende, aufrüttelnde und so präzise Sprache in Wort und Bild, wie ich sie noch nie gesehen und gehört habe.
Es ist weit nach Mitternacht, als ich die Kerzen auspuste und das Licht ausschalte. Tränen habe ich keine, aber eine Last der Geschichte, die unser Handeln bestimmen sollte. „What next, indeed!“ (Zitat aus dem Film)
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