Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich schon im „Zwischenbereich“: der letzte Tag auf der Réunion, noch ein paar Briefe, innige Umarmungen, ich komme bald wieder, versprochen. Ein Bad im Meer, um das Salz auf der Haut mit in den Flieger zu nehmen. Ein Bier, eine Pizza, Küsse für Roma und Nico. Zwölf Stunden Flug, Paris, Bahnfahrt, eine andere Zeit. Aus Gegenwart wird Erinnerung.
Was könnte besser an dieser Stelle passen als ein Rezept von Roma. Salvador Dalí sagte einmal, Essen sei Erinnerung. Wir spuhlen also die Stunden ein wenig zurück, ich bin auf der Insel, es regnet, ist schwülwarm …
Was für ein fröhlicher Stress in der kleinen Küche. Permant stehe ich im Weg, obwohl mir minutiös von meiner Tochter die logistischen Wege erklärt wurden. Freie Zone zwischen Schneidebrett, Kühlschrank und Herd. Seht Ihr mich, bin nur ein flüchtiger Schatten in pink-blau.
Mit erhobenem Kochlöffel erklärt sie mir anschließend was Chutney ist: eine süß-saure-scharfe Variante einer Konfitüre, unverzichtbar in der Küche als Beilage für Fleischgerichte, Sandwiche, Käse … Heute gibt es Ananas-Longanis (Litchi-Variante) und Ananas-Mango. Ich beeile mich, fotografisch zu folgen … und überhaupt.
Die Ananas ist die berühmte Victoria der Réunion mit ihrem unverkennbaren intensiven Geschmack. Den Kopf sowie der Boden abschneiden und anschließend schälen. Schon füllt sich der kleine Raum mit dem intensiven Duft der Tropen.
Mit einem Schälmesser die braunen Augen (Löcher) entfernen, die Ananas entkernen und in kleine Würfel schneiden. Ich rühre nichts an, schaue nur zu, ist sicherer mit meinen beiden linken Händen. Es wirkt einfach, soviel sei gesagt. Eine Zwiebel in dünne Scheiben schneiden.
Wer Lust hat, zerstößt und zermahlt im Mörser seine eigene Gewürzmischung. Roma verwendet gern Anis, Koriandersamen und schwarzen Madagaskar-Pfeffer (habe ich als Mitbringsel im Koffer).
Nun die Zwiebeln und die Ananas in einen Topf geben, die Gewürzmischung oben drüber, einen Löffel Zucker dazu, den Roma mit einer Vanilleschote verfeinert hat. Erhitzen und alles ein wenig karamellisieren lassen bis es eine schöne bräunliche Farbe bekommt. Am besten man bleibt danebenstehen, sonst wird aus braun schnell schwarz, und man kann von vorne beginnen.
Einen guten Liter Wasser hinzufügen und einkochen lassen. Draußen verdüstert sich der Himmel wieder, Musik (würde Euch am liebsten Romas Playlist mitschicken), es gesellen sich die Mücken zu uns.
In der Zwischenzeit kümmern wir uns um die Longanis, oder auch Longan-Frucht genannt, ursprünglich aus Vietnam und China, die auf den Märkten und am Straßenrand überall auf der Réunion verkauft werden. Sie schmecken ein wenig nach Honig und sind besonders geeignet für süß-saure Gerichte wie unser Chutney. Ich schäle, Roma entkernt. 9.500 km entfernt zu Hause tun es auch Litschis aus der Dose.
Heimlich nasche ich, grinse frech und passe auf, dass noch genügend Longanis in den Topf zu der Ananas wandern. Sehe förmlich Romas strafenden Blick vor mir, schon gut, ich bin hier nur geduldet. Trotzdem, diese Stunden in der offenen Küche mit dem Tropenregen sind für mich unvergesslich.
Kein Chutney ohne Sauer, damit kommt noch eine kleine Tasse Essig hinzu, und auch diesen einkochen. Schon ist die erste Variante fertig: Ananas-Longanis. Meine bedeutungsvolle Küchenaufgabe: Ich arrangiere das Close-up Bild mit Erinnerungswert.
Kurz Luftholen, die Haare bändigen ist hoffnungslos, das Outfit sitzt, die Seiden-Muschel-Bluse hält erstaunlich tapfer durch bei dieser schwülen Hitze. Nun noch schnell die Chutney Variante mit der Mango.
Alle Prozesse laufen genauso ab, wie oben beschrieben und können – wer multitask ist – gleichzeitig durchgeführt werden: zwei Ananas, zwei Zwiebeln, Gewürzmischung… zwei Töpfe.
Die Mango am Kern entlangschneiden, schachbrettartig einritzen und mit einem Löffel die kleinen Würfel hinausholen. Am besten die Schalen von innen auskratzen, so dass ein richtiges Mus im Topf mit den anderen Zutaten landet. Umrühren, vermengen und schon sind wir fertig.
Das Ananas-Mango-Chatney servieren wir im Schälchen, damit man es gleich essen kann, z. B. mit den Boudin-Bällchen, eines meiner kulinarischen Highlights aus Romas Küche hier auf der Réunion.
Wer Lust hat, honoriert Romas Rezepte mit einem Beitrag von € 15 (drei Gerichte pro Monat). Roma Tyszkiewicz, Stichwort Foodiroma März 2023, IBAN. FR70 2004 1010 1613 0567 1Z03 706.
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