Ein wenig später als sonst, aber immer noch früh am Montagmorgen, sitze ich im Taxi zum Bahnhof Westerland. Das Radio läuft, Tina Turner, dann eine Unterbrechung für die Nachrichten: Angriff der Hamas auf Israel. Ich bin schockiert, hatte nichts davon mitbekommen. Sofort erinnere ich mich an die schönen Stunden gestern mit der Freundin aus Hamburg, die ebenfalls ahnungslos und doch deutungsschwer sagte: All das Schlimme passiert da draußen, und wir sitzen friedlich hier auf Sylt.

Wir gingen abwechselnd vertieft ins Gespräch und schweigsam nebeneinander entlang des Wattenmeeres. Kaum Menschen, stattdessen lag ein zauberhafter Dunst über der Landschaft, der die Schrecken woanders auf der Welt auszuklammern schien. Anschließend begrüßte uns das heimelige Licht des Kapitänshauses. Wieder diese Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen.

Stunden später dann die Nachrichten aus dem Radio, es folgen scheppernd die Endergebnisse aus den Sonntags-Wahlen, die AFD zweit- und drittstärkste Partei in Hessen und in Bayern, auch das ein Schock, eine Partei, die der Verfassungsschutz als „rechtsextremen Verdachtsfall“ einstuft (Spiegel online).

Fröstelnd stehe ich mit der Süddeutschen Zeitung unterm Arm am Gleis, es nieselt, der Zug hat mal wieder Verspätung. Ich überfliege die ersten Seiten, Erdbeben in Afghanistan, Austrocknen des Amazonas …

Wohin mit mir und meinem Optimismus? Der Satz eines international führenden Zukunftsforschers geht mir durch den Kopf: Wenn mein Sohn erkrankt und nur noch 2% Überlebenschance hätte, ich würde ihn nicht aufgeben, ich würde alles daransetzen, dass er überlebt. – Vielleicht hilft das weiter für den Tag, die Woche, den Monat, die Zukunft.

Nachdenklich folge ich den Spuren der Regentropfen auf der Fensterscheibe. Was wäre, wenn die „Guten gewinnen“? Ich hatte darübergeschrieben, angesichts der Würdigung von Masih Alinejad und der Frauen im Iran. Wenn es so sein würde wie im Märchen, und am Ende das Böse besiegt ist? – Imagine!