Es ist ein Gedicht von Ingeborg Bachmann, das mir für diesen Titel Pate stand: Erkär mir, Liebe. Ich habe darüber geschrieben, vor allem über das Komma vor dem letzten Wort, das dem Ganzen eine andere Wendung gibt. „Erklär mir, Grün“ richtet sich somit direkt an das Grün, an die Farbe der Zuversicht und Hoffnung, die für Leben steht, die so viele Varianten besitzt, dass ich meine ganze Phanatasie aufwenden muss, jede davon präzise zu beschreiben. Tag 9 auf der Réunion feiert das fabulöse Grün.

Als Roma und Nico die kleine Exkursion in den Regenwald planen, habe ich anscheinend nicht richtig zugehört oder nicht richtig verstanden. Es ist heiß, also die kurze weiße Hose, die Leinenschuhe. Das einzig Richtige, was beinahe schon ein Motto-Keypiece ist: die Ruwenzori Bluse mit all ihren Grüntönen. Es ist einer meiner schönsten Entwürfe.

Die Route schlängelt sich durch die Plantagenfelder über 1.000 Meter hoch, die Temperatur wird merklich kühler, düstere Wolken ziehen erneut auf. Aha, wieder Regen. Mit Wasser, von welcher Seite auch immer, kenne ich mich mittlerweile aus. Die weiße Hose wird zur Wander-Farce, aber dafür ist es nun zu spät. Wir tauchen ein in ein triefendes multiples Grün.

Eine Fabelwelt öffnet sich, ein Paradies für Millionen von Micro-Organismen, ein immerwährender Kreislauf von Werden und Vergehen. Ich bin keine Wissenschaftlerin, keine Pflanzenkundlerin, vergesse die Namen der Bäume und Sträucher. Stattdessen öffnet sich für mich ein Urwald-Bilderbuch der Kindheit und erzählt mir …

… von Bäumen, die behaart sind, als wären sie Riesen, die sich zum Schmuck grüne Farne und Blätter an ihren Pelz geheftet haben. „Erzähl mir, Grün“, wohin führt dieser Weg mit den vom Himmel gefallenden Blüten? Gibt es eine geheime Spur, der ich folgen soll?

Wenn die Beiden da vorne wüssten, welche Unterhaltung ich hier führe, würden sie vielleicht nicht ganz so schnell laufen. Roma mahnt, nicht jede zwei Minuten ein Foto zu machen, nicht jeden vierten Schritt stehenzubleiben. Wenn sie wüsste. Ich lausche doch nur dem Grün.

Die Spitzen dieses Farnkrauts teilen sich wie Geweihe einst verzauberter Hirsche. Andere Blätter sind so samtweich wie Bordüren für die Kleider der Feen. Ich weiß, es klingt kitschig, aber mir kommen solche Gedanken, wenn ich mich zum hundersten Mal niederbeuge und einfach nur staune.

Auch hier gibt es Korallenblumen, die aus einem beinahe Schwarz-Grün herausleuchten, nur dieses Mal wirken sie wie porzellanartige Ohrgehänge, die eine verwunsche Prinzessin tragen könnte.

Jedes neue Grün ist eine Entdeckung, während ich regennass durch den Regenwald gehe, tastend mit den Füßen, denn es führt steil und glitschig nach oben, keuchend, eine Hand sucht ständig nach Halt an einem der Bäume, Äste, Wurzeln, die hoch aus der Erde ragen.

Endlich kommt die Sonne durch, und der Weg biegt seitlich ab Richtung Tal, was ihn nur noch schwieriger macht, denn nun wird es wirklich zu einer Schlitterpartie. (Und ich in der weißen Hose).

Habt Ihr mal versucht, das Grün zu beschreiben? Dieses kiechernde Gelb-Grün um mich herum, das zum Licht strebt, oder das sanfte Blau-Grün, das sich an den Boden kuschelt, das Schamanen-Grün der Farne oder das stolze Himmel-Grün der Palmen, die ihr Dschungel-Reich beschützen… – Welche Begriffe findet Ihr?

Allein auf dem letzten Bild gibt es so viel erzählerische Grün, das ich damit ganze Seiten füllen könnte: das Leoparden-Grün mit den weißen Sprenkelungen der Flechten, das nervöse Grün der Parasiten, wie es sich die Bäume heraufwindet … oder nenne ich es lieber das wispernde Grün, das geschwätzige Grün?

Schon gut, schon gut, ich höre auf mit meinem freien Assoziieren. Nach drei Stunden Fußmarsch klappt sich mein Kinderbuch vom Wald wieder zu, und wir kehren zurück zu unserem Auto, das uns in Serpetinen zurückbringt an das Meer mit der Sonne, die senkrecht darüber steht.

Heute gibt es noch einmal einen Sonntag-Rabatt von € 50 auf die letzten Ruwenzori Teile, die erzählerisch in die Fabelwelt des Grüns gehören. Einfach den Code 6HSZSU67 verwenden oder € 50 von der Gesamtsumme abziehen.