Wir sprechen über Mode: Was ist in, was ist out? Wer kauft was und wo? Von hinten Lyzeum, von vorne Museum, auch das soll vorkommen. Ist es Trend oder eine Frage von Stil? Nachhaltig oder nicht? Ethisch vertretbar, ja oder nein … – Heute morgen stehe ich im Halbdunkeln vor meinem neuen XXL Kleiderschrank mit Leiter (!) und greife nach den Extremen. Danke Anna*, Du hast recht, das sind genau die Teile, die ein Gespräch daraus machen …

* Anna Lucke, Designerin.

Ganz oben im Regal liegt sorgsam zusammengefaltet ein Hosen-Objekt (nennen wir es mal so) von Comme des Garçons, Mitte der neunziger Jahre, und seitdem besitze ich es. Raffiniert ist der Schritt weit nach unten gezogen, die kurzen Beinelemente wattiert. Oben um die Taille wird das kastige Modell mit einem Bändchen geschnürt und gefaltet.

Halskette,  Yves Saint Laurent Vintage: Faux Perlen (€700), Gold-Collier (€ 1.200)

Der Stoff ist eine Art Baumwoll-Samt, in den das Akanthus-Motiv gelasert wurde. Das Teil verkörpert die neuen Ideen von Mode und Avantgard, die durch die Designer Yoshi Yamamoto und Rei Kawakubo Anfang der achtziger Jahre nach Paris kamen. Damals ein Skandal.

 

Wickelungen und Drappierungen, asiatische Zitate, aber auch eine Befragung, was Mode ist, wie Körper und Hülle miteinander korrespondieren, warum Kleidung Zeit und Aufmerksamkeit verlangt. Ich trug die Japaner damals rauf und runter, mal mit Babybauch, mal ohne. Stolzierte selbstbewusst damit durch die Straßen, saß damit in Konferenzen bei ARTE & Co.

Die Redakteure am Tisch schluckten ihre Kommentare runter, und mir fiel gar nicht auf, wie anders es war. Heute bin ich glücklich, dass ich das Comme des Garons “must have” nicht ausrangiert habe, es ist ein Stück Mode-Geschichte und erzählt auch über meine Vergangenheit.

Genauso wie die Jil Sander Fell-Weste, die mich ähnlich lange begleitet. Es geht kaum nachhaltiger: Über dreißig Jahre befindet sich das Basic in meinem Schrank, ist mehrfach umgezogen, war schon überall, sieht dabei aus wie neu und das bei meinen schlampigen Tragegewohnheiten.

Während ich durch den grauen Nieselpark spaziere, denke ich an das Bild von der Schiaparelli Modenschau Frühjahr 2023 mit dem Fake Löwen, über den sich die Fashion-Welt gerade künstlich aufregt. Was ist die Message? Reines Marketing? Mir fällt ein Satz dazu ein, war er von Robert Venturi zur Postmoderne, ich erinnere mich nicht mehr genau: Wenn die Inhalte verschwinden, steigern sich die Effekte.

Mit meinem Outfit lande ich zwar nicht auf dem Titel der VOGUE, aber ich schaffe mir meine Kontexte von modischer Selbstreflexion, von Nachhaltigkeit im Tragen, im Denken und Produzieren sowie mit relevanten Themen, die mich umkreisen wie Kopernikus (Bouclé Jacke) oder die Muscheln aus dem Werk von Alexander von Humboldt (Bluse).