Ein wenig überlege ich, wie ich diese Geschichte erzähle, denn sie ist nicht ungewöhnlich und dennoch irgendwie besonders. Wir haben den 17. November 2022, draußen ist es grau und regnerisch, das erstes Mal wirklich unfreundlich kalt in diesem Herbst. Es ist Carmens Geburtstag, eingeladen hatte sie für 22:30 Uhr in einen Club in Hamburg-Pöseldorf. Dress-Code: sexy-elegant.

Ich sitze an meinem Schreibtisch, kurz nach 7:00 Uhr, neben mir das Croissant, um mich herum die Krümel. Ich denke an Carmen, die heute und die nächsten Tage frei hat. Geburtstag ist bei ihr eine große Sache. Übrigens hasst sie meine Krümel, aber sie ist ja nicht da. Also krümele ich hemmungslos und empfinde mich gerade alles, nur nicht sexy-elegant. Und dann die Uhrzeit, da schlafe ich sonst schon.

George Nelson Uhr aus den fünfziger Jahren in meinem Schlafzimmer im Tempel von 1844.

Der Tag dümpelt vor sich hin, ein wenig dies-und-das, ein paar Besucherinnen, Administration. Tick-tack, die Uhr geht im Schneckentempo, es ist 19:15 Uhr. Graupelschauer. Ich husche über die Straße, gehe mit Wärmflasche ins Bett, oben in meiner Tempel-Kemenate, wo der Regen auf’s Dach prasselt.

Was würde ich nun alles darum geben, dass ein Anruf kommt: die Party ist abgesagt, weil die Tür zur Disco klemmt und keiner reinkommt, Stromausfall in ganz Hamburg … Keine Ahnung, auf jeden Fall möchte ich hier kuschelig eingehüllt bleiben mit meinem Buch und dann so leise wegdämmern in meine Träume. Fast gelingt es mir.

Es ist 22:01 Uhr, 22:07 Uhr, 22:13 Uhr, nun wird es Zeit. Für sexy habe ich meinen alten Lackleder-Rock von Alaia in peto. Ich kaufte das Teil, da muss ich Ende zwanzig gewesen sein. An ihm haften eine Menge ultra-schräger Geschichten. Zum Glück passt er noch oder wieder.

Während ich mich anziehe, muss ich an die SMS von vorgestern denken, sie bezog sich auf den IT’S A DIENSTAG mit “Diplomatic Dress-Code“: “Wie kann man sich nur so grauenhaft und unvorteilhaft präsentieren (gemeint bin ich). (… ) Es gibt ja doch Grenzen des Geschmacks (gemeint bin wieder ich).” Die Autorin dieser Nachricht würde bestimmt in Ohnmacht fallen, würde sie mich jetzt so sehen.

Müde schaue ich mich an, versuche ein motivierendes Lächeln, probiere den Hüftschwung und noch ein paar Outfit-Alternativen. Aber nein, es bleibt wie es ist: Lackleder-Rock und schwarzes Hemd, ebenfalls von Alaia, geerbt vom Cousinchen, dazu die Kette von Yves Saint Laurent, die schwarz-weißen Neopren-Schuhe von Taglia Scarpe und die Vintage Tasche aus den Siebzigern von Celine. Let’s go!

22:47 Uhr. Kreisch! Carmen begrüßt mich herzlich, Umarmung(en), alle sind schon da. Drinks, laute Musik. Meine Augen müssen sich kurz an die Dunkelheit und die bunten Scheinwerfer gewöhnen, schließlich komme ich gerade aus Pyjama und Bett. Eine Unterhaltung ist unmöglich.

Noch eine Umarmung, ein Cheers, ein Lachen … wie ich Carmens Heiterkeit genieße. Dann fange ich an zu tanzen und tanze – gefühlt oder in echt – die nächsten drei Stunden, und mit mir alle anderen.

Was für ein Spaß, was für eine ausgelassene Stimmung, was für eine unbändige und unerwartete Freude. – Happy Birthday Carmen, ich liebe Deinen Frohsinn. Schön, dass es Dich gibt!

PS: Und auch dieses letzte Foto hau ich noch raus, es ist für die kritische Blog-Kommentatorin: Nix “vorne Museum, hinten Lyceum“. Ich fühle mich umwerfend von allen Seiten, schlicht und einfach “alterslos”. Mode ist immer auch ein Experiment, ein Grenzgang, eine Inszenierung. Im Roma e Toska Online-Shop und in der Poolstrasse gibt es regelmäßig Vintage Teile.