Man hört das Vorbeirauschen der Autos, heute hinter offiziell verschlossenen Türen, die Bäderordnung gilt erst ab Montag. Dennoch, es geht los! Die Zeitung Sylt Life druckte ihre aktuelle Ausgabe nach der Corona-Osterpause mit meiner kleinen Kolumne darin, nicht wie sonst „undercover“ geschrieben, sondern als Birgit Gräfin Tyszkiewicz, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Hier der Auszug:
Der Hunger nach Wind, Sonne und Meer
Roma e Toska im „Modell-Versuch“
Noch verharren wir ein wenig wie im Dornröschen-Schlaf, wir Mode-Designer, wir Boutique-Besitzer, wir auf der Insel und überhaupt. Seit dem 1. Mai ist Sylt Modell-Region und alles darf geöffnet sein, das Wetter kramt vorsichtshalber seinen eisigen Nordwestwind heraus und schiebt düstere Wolken vor die Sonne. Es fühlt sich an wie im späten Winter, die Türen bleiben geschlossen, lieber noch ein wenig in dem Kokon bleiben und über das Leben weiter nachdenken. Ein paar Telefonate mit Italien, die neuen Stoffe sind in Arbeit, fertig, geschickt. Erleichterung. Im Erzgebirge wird fleißig an den Modellen gearbeitet. Es wird, tröstet man sich und gleich die anderen um sich herum mit. Es wird!
Und dann geht plötzlich alles ganz schnell, eine warme Brise, die unwiderstehliche Sonne des Frühlings, die würzige Luft der Nordsee. Tief atme ich sie ein und weiß, es gibt nur wenige Orte wie diesen. Der Kirschbaum vor dem alten Kapitänshaus zeigt sich in voller Blüte und wird zum beliebten Fotomotiv, und wir können endlich die Türen weit öffnen, für das, was mir so wichtig ist: die Kunst (seit gestern Grafiken von Joseph Beuys), die Mode, das Miteinander von Kleinodien wie die Keramik der zwanziger und dreißiger Jahre, die Objekten von Klaus Dupont aus Berlin, dazu die Schuhe von Taglia Scarpe und der Vintage Schmuck von Yves Saint Laurent.
Ich nenne es meine „Menagerie“ von außergewöhnlichen Dingen, die mich inspirieren, die ich für die Freunde und die KundInnen zusammengetragen habe, und die ein Ambiente erst zu einem Zuhause werden lassen. Roma e Toska hat sich von einem Flagship Store zu einem Concept Store entwickelt für Fashion, Art und Life(style). Einige erklären es liebevoll zu ihrem „zweiten Wohnzimmer“. Willkommen. Geöffnet!
Und nun komme ich endlich zur Mode, die mein Mittel ist, alles zu umfassen. „Fashion is all“, wie die Diana Vreeland immer sagte, Die US-Chefredakteurin von Harper’s Bazar und Vogue in den sechziger Jahren hat recht, wir drücken uns mit Mode aus, sowohl als Designerin wie auch als Trägerin. Selbst wenn wir uns verweigern, gerade mal keine Lust haben, uns hübsch zu machen, etwas Neues anzuziehen, dann ist das auch ein Statement.
Ich habe mich in diesen Monaten öfter umgezogen als jemals zuvor. Mir war nach Rock, nach Hose, nach Bluse, nach grau, nach schwarz, nach bunt. Understatement wechselte sich mit exzentrisch ab, dem schnellen Wechsel meiner Stimmungen folgend. Damit entdeckte ich wieder die Lust auf Inszenierung, die Freude an mir selbst. Das ist Mode! Kreativ bin ich weiterhin mit dem Naturforscher Ernst Haeckel beschäftigt, der Mitte des 19. Jahrhunderts die Quallen und Einzeller studierte und damit den Jugendstil beeinflusste. Aus seinen Motiven entstanden Stoffe und Modelle.
Gleichzeitig entwickelte ich die Kollektion „Ruwenzori“ mit den mystischen Bildern vom Aufstieg auf den Vulkan Sabinyo. „Einmal Uganda, einmal Paris hin-und-zurück“, so habe ich es umschrieben. Zwei Wege, die sich wie Zitate aus unterschiedlichen Welten miteinander verschlingen: Natur und Mode, die großen Trendthemen in diesem Jahr…
Für Sylt-Fans, gibt es den Artikel mit einem kleinen Tüchlein bei dem nächsten Kauf dazu. Ansonsten: Tür steht offen: 11 – 18 Uhr, Freitag und Samstag und ab nächster Woche täglich!
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