Der Tag war lang und vollgepackt mit kreativen Dingen, erst im Atelier und später in der Poolstrasse mit endlosen Gesprächen und Online Experimenten. Ich übe mich in der virtuellen Welt, doch daneben tastet mein Auge die außergewöhnliche Umgebung im Tempel von 1844 ab und saugt alles auf, was es an Farben und Formen um mich herum gibt. Es hat geschneit, es ist Nacht geworden.
Es liegt ein ungewöhnlicher Zauber über allem. In den Fenster spiegelt sich ein geheimnisvolles Miteinander. Stumm stehen die Puppen in ihren Kollektionsteilen, ihre Schatten spielen an den Wänden, ergeben neue Muster. Der Chandelier von Magpie Art Collective zeichnet einen Zwilling an die Decke.
Bin ich es dort im Schatten an der Tür oder ist es die Figurine mit der braunen Strickjacke hinter mir, dem kleinen gemalten Schränkchen davor, die Kleiderstange dahinter?
Manch einer mag an David Lynch denken, an sein stilisiertes Innen, das verstörend, unheimlich und surreal wirkt. Hier ist es anders, es ist poetisch und erzählerisch. Mein Bett ist gemacht, schimmert in der zerbrochenen Fensterscheibe mit dem Schnee dahinter. Ich behalte den Schal um, es ist kühl, während ich wieder durch das Dunkel zurückgehe, um weitere Bilder zu machen.
Das wenige Licht sensibilisiert für die pastellenen Farben, die sofort an Seurat und die französischen Pointillisten erinnern. Ich mache ein Foto und noch eins und noch eines. Wieviele Varianten Lila besitzen kann. Und schwarz ist endlich nicht mehr einfach nur „schwarz“.
Abb: Day-and-Night Pullover (€ 398), Rautenrock, S und L (€ 400 Sonderpreis)
Nun ist es wirklich bald Mitternacht, meine Augen haben sich an die Abwesenheit von elektrischem Licht gewöhnt, die Kerzen sind schon lange ausgepustet. Immer wieder finde ich einen neuen Winkel, um meine kleine mystische Welt hier oben zu betrachten.
Manchmal verschwimmen die Konturen, bilden sich Unschärfen. Das Terrakotta „Baby“ von Luca Lanzi, lacht es nun, brabbelt oder schreit? Oder ruft es gar zu mir herüber? Eine wunderschöne Arbeit des jungen Italieners, die noch auf einen Sammler oder eine Sammlerin wartet, dahinter das Gemälde von Helma mit dem Wolf.
Abb: Luca Lanzi, Feticcio Sonaglio, 2009, Sculpture | one-of-a-kind piece Terracotta, gesso, copper wire 44 x 40 x 28 cm (€4.200)
Wenn ich jetzt weiter schreibe, würde eine endlose Geschichte entstehen … ein Märchen, Nachts im Tempel. Und ich mitten drin.
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