Es gibt so berühmte Buch- und Gedichtanfänge, an denen sich gleich das ganze Drama des Lebens aufzeigt. So auch Robert Frosts berühmtes Gedicht „The Road not Taken“ mit den beiden Pfaden, die sich teilen. Wir alle stehen ständig vor Abzeigungen, gehe ich nach rechts oder links oder bleibe ich gar stehen? Wie der amerikanische Dichter schreibt, haben wir selten die Gelegenheit oder die Zeit, beide Wege zu nehmen. „Alles geht eben nicht“, wir mir mein Vater schon damals zu verstehen gab.

Und so quäle ich mich seit ein paar Wochen, welche der zwei großen Zukunfts-Optionen ich wählen sollte, die sich so unvermittelt in mein Leben drängten. Pst, noch ist es ein Geheimnis. Aber keine Angst, Roma e Toska bleibt weiter bestehen, bekommt junges Blut und frische Impulse.

Folge ich nun dem Ruf der Natur, dem Rückzug und der Isolation (früher fand man dafür den Begriff „Einsiedelei“) wie es so viele Top-Manager:innen derzeit tun mit einer Flucht auf einsame Inseln oder erwecke ich den akademischen Sleeper in mir?

Welcher Weg ist der bequemere, welcher der „less traveled by“? Es gibt für beide Vorteile und Nachteile, oder ich könnte mich natürlich auch gar nicht entscheiden und einfach alles so belassen wie es ist. Vielleicht weiß die/der eine oder andere von Euch Rat.

Option 1: Vor weniger als einem Monat kam das Angebot der Inselleitung, ob ich nicht die freigewordene Stelle der Schäferin übernehmen möchte. Es muss sich wohl herumgesprochen haben, dass ich zur „Generation Baumhaus“ gehöre und den Blick über das Watt so liebe. Meine neue Bestimmung: mit einer Klingel in der Hand und Hund Bonnie über die Heide ziehen und eine Herde von wolligen Wiederkäuern hüten.

Vielleicht male ich sie gelb und blau an, doch das Kriegsgeschehen wäre weit. Für mich gäbe es nachts die Sterne und tagsüber den Wind, das Meer und meine eigenwilligen Einzelgänger-Schafe (mein Wunsch: nur die Schäflein, die anders sein wollen). Und dann hole ich mir das Strickzeug hervor für den endlosen Schal …

Option 2: Fast zeitgleich kam die Offerte der Harvard University (welch Ehre) für eine Habilitation über den „Blick aus dem Rahmen“. Wie sie mich nur gefunden haben, schließlich ist es Jahrzehnte her, dass ich zum Kreis der Ivy-League Student:innen gehörte?

Nun wie auch immer, es soll ein interdisziplinäres Forschungsvorhaben werden, um die Perspektive auf unsere Welt zu schärfen. Dazu gehören eine Astronautin genauso wie ein Bergarbeiter (Perspektive von ganz oben und ganz unten).

Auch Julia Hill ist eingeladen, das Model, das 738 Tage auf einem kalifornischen Mammutbaum lebte. Wie ich hörte, gehört ebenso ein japanischer Zen-Gärtner dazu und ein Seemann, ein Rennfahrer (für die Geschwindigkeit) und natürlich eine ausgewählte Gruppe von Philosoph:innen.

Es ist aufregend, ja mehr als das! Gestern Abend musste ich noch einen Intelligenztest machen. 127 Punkte das Ergebnis, es wäre 130 geworden, wäre der Hund mir nicht zeitgleich aufs Bett gesprungen und hätte mein Mann mich nicht mit einem summenden Liederpotpurri abgelenkt. Aber es reicht, 120 war die Vorgabe, um aufgenommen zu werden.

Für mich bereit steht eine kleine Kemenate auf dem Uni-Campus, ein Mini-Budget für French Fried Toast und Scramble Eggs. Und dann würde ich durch die Museen der Erinnerung wandern.

Rembrandt (1606 – 1669), Selbstportrait.

Wer blickt aus dem Rahmen, kritisch auf die Welt und in ewiger Selbstbefragung? Tizian, Rembrandt, Edvard Munch, Max Beckmann … Sie alle sind geprägt von Zweifel und Mut. Ihre Zeiten waren leuchtend und düster, genauso wie ihre eigenen Schicksale.

Edvard Munch (1863 – 1944), Selbstportrait, 1895

Ich werde mich für das Studium entscheiden, lege das Strickzeug wieder in das Kästchen, um irgendwann Frau Professor zu sein. Dann fragen mich bestimmt wieder einige, ob ich ihren Bandscheibenschaden beheben kann. Ich schüttele den Kopf und sage bescheiden mit Konfuzius im Sinne, darüber weiß ich auch nicht viel … Das kleine Schäfchen bleibt mein Talisman auf der Fensterbank.

PS: Carmen, Monique und Melle übernehmen die Hamburg Zentrale, der Graf versprüht seinen Charme auf der Insel, Toska ist für die Dependance Paris verantwortlich und für Roma gibt es eine Tropen-Kollektion. Ich bin dann mal weg! Abschied zu Ostern.

„(…) Two roads diverged in a wood, and I – I took the one less traveled by, And that has made all the difference.“

Artemisia Genteleschi (1593 – 1656), Selbstportrait.

Wir spenden von jedem Roma e Toska Kauf € 50,00 an das Deutsche Rote Kreuz, Stichwort „Nothilfe Ukraine“.