Es ist noch früh, ich sitze an meinem alten Schreibtisch im Kapitänshaus in Kampen auf Sylt, dem Flagship Store von Roma e Toska, der sich soeben zum neuen Concept Store von Roma e Toska ausgeweitet hat.

Die Heckenrose in der Vase duften, das Sonnenlicht spielt seine Muster an den Fensterrahmen, die Vögel zwitschern. Idylle total. Die meiste Arbeit des Umzugs ist getan, nun kann ich mich auf die Kollektion konzentrieren und ein wenig die nächsten Stunden genießen. Es ist Pfingstmontag, die meisten schlafen jetzt noch.

Cut! Neun Stunden Zeitunterschied, auf der anderen Seite des Globus sieht es ganz anders aus. „California burning“ könnte man es nach dem berühmten Film „Mississippi Burning“, 1988 von Alan Parker umbenennen. Brutalität der Polizei, aufflammender Rassismus. „Black life matters“ Proteste.

Die größte Wirtschaftsmacht im Ausnahmezustand mit einem Präsidenten, der unberechenbar um sich schlägt. 100.000 Menschen sind in den USA bislang an Corona gestorben. 40 Millionen (!) sind ohne Arbeit. Und ein Ende dieser Abwärtsspirale ist nicht in Sicht. Anna Wintour, Chefredakteurin der Vogue USA, arbeitet fieberhaft an ihrem berühmten September Issue. Aber wie wird es für 2020 aussehen? Wer kann voraussagen, wie sich diese Land, das in eine Dritte Welt Gesellschaft abgleitet, bis dahin aufstellt, die immensen Probleme in den Griff bekommt oder auch nicht?

Abb: Melrose (CA) gestern Nachmittag und Vandalismus in der Boutique von Margiela.

„Some might wonder, what is fashion’s role in all of this? For a start, just listen to our customers. They increasingly expect this powerful and privileged industry to speak out against racism and take action to drive systemic change. But beyond its business interests, the fashion sector has a deep, moral obligation to tackle racism.“ (Business of Fashion, 1.6.2020)

Die Rolle von Fashion wird uns noch lange beschäftigen. Sie besitzt die Kraft für ein politisches Statement mit der Energie für eine umwälzende Veränderung von innen nach außen und umgekehrt von außen nach innen. Schwer, sich das von dieser Insel in die Ferne vorzustellen, aber wir können und dürfen ein globales Denken mit der damit verbundenen Verantwortung nicht ausklammern. Ich trage die Jeans von Marni aus LA, das Shirt von Comme des Garçons aus Japan, die Schuhe von Taglia Scarpe aus Italien, den Gürtel von Yves Saint Laurent aus Frankreich und das Seidenchiffon Tuch von Roma e Toska aus Deutschland. One World. „Life matters!“