Dieses Sylt, wie ich es liebe, die Freunde, die hier bei Roma e Toska ihr Wohnzimmer finden und die inspirierenden Abende gemeinsam mit einem riesigen Topf Bolognese auf dem Tisch (Rezept folgt morgen) …

Es ist nicht nur die Dichte von Natur, die diese Insel ausmacht, oder die Dichte von Geld und exklusivem Besitz, nein, es ist auch diese Dichte von geistigem Gut mit Querdenkern und Individualisten, die jeden Tag zu einem außergewöhnlichen Tag werden lassen.

Gestern trudelten sie wieder ein, so wie immer ab 16:00 Uhr, wenn die Sonne langsam verschwindet und der Kerzenschein unter dem Reetdach heimelig lockt. Jeder war schnell im Gespräch mit jedem oder probierte den Tütü Rock, die Bluse, den Vintage Nina Ricci Gürtel.

Ich stand beiseite mit Madame la Petite aus der Schweiz. Sie erzählte mir, dass sie Hölderlin (1770 – 1843) so liebt, einer, der aus der Welt gefallen ist, der an der Welt verunglückte. Hölderlin? Keine Ahnung, schemenhaft gehörte er in meine Schulzeit. Dann nannte sie mir das Gedicht „Die Hälfte des Lebens“. Und wenig später entfaltete sich vor mir eine so bilderreiche Schönheit von Sprache, so eine verzauberte Wucht der Worte, dass dieser Schriftsteller plötzlich über die Jahrhunderte hinweg ganz nah zwischen uns war.

Hölderlin sandte 1803/04 neun Gedichte an seinen Verleger, die er als „Nachtgesänge“ bezeichnete. Sie wurden wenig später veröffentlicht, allerdings in der Gesamtausgabe 1826 übergangen, da man sie als Vorboten seiner Geisteskrankheit hielt. Überhaupt konnte man mit diesem Gedicht im 19. Jahrhundert nur wenig anfangen, dabei wurden es im Verlauf der Zeit zu den wohl am intensivsten interpretierten 14 Zeilen deutscher Lyrik.

Was hat das mit Mode zu tun? Gar nichts und doch alles! Ein Gedicht von Hölderlin, das mitschwingt und verzaubert, hier zwischen den Kollektionen im Flagship Store von Roma e Toska, in Kampen auf Sylt, in unserem Wohnzimmer. Mal schauen, was es mit Euch heute morgen anstellt.

Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm’ ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.

Gerade weht gerade der Sturm ums Haus, der Regen prasselt an die Fensterscheiben und Blitze zucken über den Himmel. Ein Morgengewitter, das mich zwingt noch ein wenig länger in die Bettdecke gehüllt am Schreibtisch zu sitzen und über Hölderlin und die Empfindsamen dieser Welt nachzudenken. Dieses Jahr feiern wir seinen 250sten Geburtstag.