Wahrscheinlich gibt es nun einen Aufschrei: Was, ein Jahresrückblick, in dem der Hairstylist einen eigenen Beitrag erhält?! Gab es nicht Wichtigeres? Doch, sehr viel sogar, aber mit den kleinen Dingen ruckeln wir uns fröhlich-optimistisch wieder für den Alltag zurecht. Und so bekommt Jefferson, der Hairstylist, sein eigenen Kapitel.

Amüsiert höre ich meine Tochter Toska suggestiv fragen, ob ich mir solch einen Luxus jede Woche leisten könne? Fünfzig Euro für Haarewaschen, -pflegen und fönen. Protestantisch sparsam erzogen mache ich eine minutiöse Ausgleichsrechnung: 1. kein Taxi, dafür öffentliche Verkehrsmittel oder zu Fuß = gespart mindestens € 30, nur am Alkohol nippen, statt flaschenweise trinken = gespart € 25, Reste und trockenes Brot essen = gespart = € 20. Keine Schokolade = € 5,00. Und schon ist der Friseurbesuch gratis.

Aber darum geht es gar nicht, es geht um Entspannung, um ein intelligentes Plaudern, das vor sich hinfließt wie das Wasser durch die Haare nach dem Schamponieren. Und mit wem ginge dieser Genuss besser als mit Jefferson, dem weitgereisten Brasilianer und globalen Frauenkenner.

Jeden Dienstag hat er mich nicht nur hübsch gemacht, sondern wunderbar durch die Höhen und Tiefen des Jahres begleitet. Wir unterhielten uns über den Jacobsweg, die reichen Frauen in New York und Florida, Gesichter, die schön altern, graue Haare, widerspenstige Locken, die ewigen Missverständnisse mit dem anderen Geschlecht, Nerv und Stress, und wer einem warum guttut, und wen man besser nicht mehr trifft.

Jedes Mal fing es mit einem aufmunternden Lächeln an, bei dem ungewiss blieb, ob ich angeschaut werde oder meine Haare. „Madame, wie geht’s?“, so die provokante Willkommensfrage.

Müde schaut mir mein Ich entgegen mit Rändern unter den Augen und ärgerlichen Falten um den Mund. Wie soll es mir gehen? Indifferent zucke ich die Achsel. Manchmal besser, manchmal schlechter. Dann legt er los, bis die Strähnen seidig duftend herabhängen. Glatt oder mondän, die einzige Entscheidung, die zu fällen ist. Das ist in dieser komplexen Welt eine echte Herausforderung. Mondän!

Letztens überraschte mich eine ältere elegante Dame und Kundin mit einer kleinen Offenbarung: der Friseurbesuch sei für sie so wohtuend wie Sex am Nachmittag. – Ich schaute sie daraufhin etwas entgeistert ob der Ehrlichkeit an und nickte grinsend. (Habt Ihr schon Euren nächsten Besuch beim Hairstylisten gebucht?)

Sicherlich wird Jefferson auch im kommenden Jahr uns auf der Insel einen Besuch abstatten, um Outdoor mit Gartenschlauch die Freundinnen zu stylen. Das Foto von Biggi (Out of Sylt) aus dem August gehört zu meinen Lieblingsaufnahmen in 2023.

Danke Jefferson für all die witzigen, tiefschürfenden, klugen und frechen Gespräche. Nach einer Stunde hatte ich immer das Gefühl, gut auszusehen, beschwingt zu sein und eine Menge überflüssigen Mist weggespühlt zu haben.

Auch das Foto mag ich gern: Countess Bridget und ihr Hairstylist. Ziemlich beste Freunde.