Vielleicht waren es die Farben von hell und leuchtend Pink, über die Erdtöne bis hin zu dem „moony grey“, die mich an dem Foto fesselten. Vielleicht war es aber auch das Projekt an sich, das mein Interesse weckte: Meine Tochter Roma (28) baut mit ihrem Freund Nico einen Hühnerstall hinter ihrer Hütte auf La Réunion, der Insel im Indischen Ozean. Gewiss waren es jedoch die Namen der beiden zukünftigen Bewohnerinnen dieses Outdoor Etablissement, die meine Neugierde entfachten: Simone de Beauvour und Olympe de Gouges.
Dazu muss man wissen, dass meine Tochter von Philosophen umgeben ist, die als Besonderheit keine zwei, sondern vier Beine besitzen. Als erstes kam die Katze Socrates. Die passende Gleichung, warum männlich und weiblich eine Logik ergeben, ist mir wieder entfallen. Dann kam Friedrich Nietzsche, die Schildkröte, die mittlerweile das Zeitliche gesegnet hat.
Sokrates hat die weite Reise von Toulouse auf die Île de la Réunion heil überstanden. Seit ein paar Monaten gehört außerdem das Straßenkind Spinoza zur Familie. Als ich im März eintraf, war es noch ein zerzauster Mini-Findling, aber Namen verpflichten. Das Kätzchen behauptet seinen Platz.
Von den großen Männern der Geschichte geht es nun endlich zu den großen Frauen, den Pionierinnen des Feminismus, auch wenn diese hinter dem Haus zukünftig den Hühnerstall bewohnen und täglich (hoffentlich) Eier legen. Kennt man Roma, weiß man, dass ist keineswegs despektierlich gemeint. Sie ist emanzipiert by nature (sonst hätte ich wohl als Mutter versagt).
Marie Gouze, die sich später Olympe de Gouges (1748 – 1793) nannte, war die uneheliche Tochter einer französischen Wäscherin mit einem Landadligen und Widersacher Voltaires, der sich aber als Mistkerl entpuppte und weder das Kind anerkannte, noch die Mutter unterstützte. Gibt es irgendwann einen Hahn, müsste er natürlich Voltaire (!) heißen, um die Geschichte zu versöhnen.
Die junge Frau nahm ihr Schicksal selbst in die Hand und begann zu lesen und zu schreiben, Theaterstücke, politische Schriften, wandte sich gegen die Sklaverei und gegen das Diktakt der Männer. Berühmt wurde sie durch ihre 1791 verfasste Declaration des Droits de la Femme et de la Citoyenne (Erklärung der Rechte der Frau und der Bürgerin).
Aber bekanntlich frist die Revolution ja ihre Kinder und die weiblichen ganz besonders gern. Olympe de Gouges war Robespierre ein Dorn im Auge und wurde als Royalistin verurteilt. 1793 landete sie auf der Guillotine und geriet in Vergessenheit. Das hat sich nun geändert.
Ebenfalls eine große Verfechterin der Frauenrechte, Philosophin und Schriftsellerin ist Simone de Beauvoir (1908 – 1986). Sie wurde die Frau von Jean-Paul Satre, lebte in einer offenen Beziehung, ihr Werk blieb immer eigenständig. Sie war mit allen führenden Persönlichkeiten Frankreichs und ihrer Zeit bekannt und befreundet. Über sie gäbe es unglaublich viel zu schreiben, das den Rahmen des Hühnerstall-Reports locker überschreitet.
Eine Aussicht auf das Meer gibt es nicht, kein Fenster und keinen Balkon, dafür satten Boden und ein sicheres Gehege. Ich werde berichten, wie es sich so anfühlt miteinander als Schicksalsgemeinschaft. Ein Hahn (ob Voltaire oder nicht) ist vorerst nicht in Planung, die Damen müssen sich selbst genügen.
„Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein.“ (Simone de Beauvoir)
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