Es geht um das Jetzt, das Morgen und das Übermorgen, ein beinahe alltägliches Geschäft der Modedesigner*innen: Was kommt sofort in die Läden, was in naher Zukunft, und wie sieht der Frühjahr/Sommer in einem Jahr aus? Letzteres klammere ich aus, unsere Zeiten haben sich verändert, zu schnell kann die Welt komplett auf den Kopf gestellt werden. Die mittelfristige Perspektive ist schon kompliziert genug.

Wer sich erinnert an den vorletzten Blog-Beitrag, der weiß, dass als Erstes die kritische Hürde “Toska” genommen werden muss. Wir hocken auf den Boden, kein Stuhl in der Café-Corner mehr frei, ich erzähle ihr mein Thema Herbst-Winter 2023/24.

Das Trend-Motto der Messe lautet: Dream your Reality. Bei mir sind es die Märchen und Albträume der Kindheit, ich nenne die Kollektion “Childhood Monsters“, die Krokodile unter dem Bett, die Gespenster hinter den Vorhängen, die düsteren Bäume vor dem Fenster, der Vater, der die Kinder in den Wald schickt, damit sie nie wieder nach Hause kommen …. – Toska runzelt die Stirn, es dauert eine Weile, ich ahnte es.

Wir brauchen unsere Kinder-Ängste, um mutig zu werden. Es ist ein komplexes Thema mit viele Überlagerungen und einer neuen spannenden Kooperation. Starten wir bei dem Fabulösen, bei dem, was man sehen wird, den Illustrationen, die zu Stoffen werden, kombiniert mit anderen Stoffen … – Toska ist in meiner “Realität” angekommen.

Neben mir Freund Antonio aus dem Norden Italiens, mit dem ich schon seit vielen, vielen Jahren zusammenarbeite. Er ist mein Trend-Barometer, seine Stoffe wurden mehrfach ausgezeichnet, von ihm kommen die bestickten Tülle, die meine Kollektionen begleiten. Begeistert lächelt er, als er meine Erzählung hört, wir finden die richtigen Materialien und machen das obligatorische gehuschte Foto.

Gleichzeitig spuhlen wir ein paar Monate zurück, um die aktuelle Kollektion weiter auszubauen. Die letzte Messe im Sommer 2022 hatte ich übersprungen, die Termine lagen zu ungünstig. “Muscheln fühlen” braucht noch ein paar Ergänzungen, wie die Bouclés meiner Lieblingsmanufaktur aus Frankreich.

Es läuft gut bei ihnen, Chanel ordert viel, das ferne Ausland ist zurück. Für mich sind sie immer wieder ein Genuss, all die schönen Dessins, die Muster mit ihren ungewöhnlichen Farb- und Garnkombinationen.

Am Ende fehlen nur noch die kleinsten “Storyteller”, die Knöpfe, sie kommen aus dem Schwarzwald und sind ebenfalls schon seit ewig unsere Lieferanten. Unsere Wahl ist ein Highlight für mich. So wird das Bild komplett von der “Natur, die gefühlt werden muss”, mit dem Kunsthandwerk, den Oberflächen, den Pigmenten…

Ein letztes Foto unter der Wolke. Ich träume schon lange meine “Reality”, nun müssen daraus nur noch Blusen, Röcke, Blazer, Kleider werden, damit ihr darin die Träume weiterleben könnt.

Es ist dunkel, als wir nach Hause fahren, mit unseren schnellen Schritten geht es von der Station Saint Michel Nôtre Dame in die Rue de l’Université. Oben in ihrem Chambre de Bonne kocht Toska das Abendessen, der Mond scheint durch das Fenster, ich plaudere und plaudere, kann gar nicht stoppen, bis uns doch irgendwann die Augen zufallen.

Und heute wartet Paris da draußen mit seinen alten Passagen, den Museen, der Mode … Unser Tag ist vollgestopft, vielleicht starten wir mit einer heißen Schokolade bei Les Deux Magots, Toskas kleinem Wunschausflug in das Gefühl von Luxus. – Dream your Reality.