Das Foto zeigt Toska in Paris am Place du Furstenberg im 6. Arrondissement. Sie selbst wohnt im Siebenten hoch oben im Chambre de Bonne mit Blick auf den Eiffelturm. Zehn Quadratmeter und ein kleines eingehängtes Zwischengeschoss mit Bett. Seit zwei Monaten gibt es in Frankreich einen harten Shutdown mit Ausgangssperre. Eine Stunde am Tag ist erlaubt für dringende Einkäufe, Arzt oder Apotheke. Dafür bedarf es eines Zertifikates mit Uhrzeit, Anlass und Ziel.

Abb: „My room“ Toska (oben) und ich antworte ebenso mit „my room“

Mit ihren 22 Jahren ist mein „Hero“. Sie liest Walter Benjamin, den französischen Philosophen Henri Bergson, dazwischen Alexander von Humboldt, Ernst Haeckel, Camus … Sie schreibt an ihren Hausarbeiten, und ab und an plaudert sie mit ihrem Nachbarn über die Fensterbank hinweg. Die Concierge hat ihr gestattet im Innenhof zu sitzen, der sonst dafür gesperrt ist, ein kleiner elegant gestalteter Skulpturen Garten zum Hineinschauen, nicht zum Verweilen.

Sie hat mit dem Malen begonnen. Die Tochter des Vermieters, die unter ihr wohnen, hat ihr Bücher von Matisse ausgeliehen. Es geht um die Innenräume, um die Fenster, die nicht mehr nach außen blicken. In meinem Überraschungspaket der letzten Woche waren neue Farbtuben mit Grün und nochmal Grün, Gelb und Orange. Sie wusste mit dieser Auswahl nicht so recht etwas anfangen. „Mal den Frühling!“ schrieb ich ihr. Ach, daran hätte sie gar nicht gedacht. Ein Frühling über den Dächern von Paris braucht vielleicht andere Farben als der Frühling an der Alster.

Abb: Frühling an der Alster

In der Zwischenzeit schaut sie sich durch die Videos der großen Museen mit der Vorstellung der bedeutenden Werke der Kunstgeschichte und dem Malkurs des MoMa aus New York (über eine Million ! Visitors pro Beitrag). Was für ein faszinierendes Angebot, das in diesen Zeiten eine ganz neue Intensität und Bedeutung erhält. Wann wird Toska mit diesem Wissen wohl wieder durch den Louvre schlendern, sich vor die Seerosen von Monet setzen oder gar nach New York fliegen, um DeKooning im Original zu sehen?

Ab dem 11. Mai soll es sich in Frankreich langsam lockern. Wie gehen die hübschen Pariserinnen auf die Straße? Gibt es einen neuen Look, wird es bunter, oder wird es schlichter. Erfindet sich die Hauptstadt der Mode neu oder macht sie weiter wie zuvor? Geht es auf den Grand Boulevard, trifft man sich im Printemps? Oder ist es die große Stunde der kleinen Boutiquen? Wohin verlagert sich das Leben in dieser Stadt im Frühling?

Wir tauschen uns Briefe aus und vielleicht ist es Toska, die das nächste Mal an dieser Stelle schreibt. Ich versuche sie zu überreden.