Gestern gab es keinen Beitrag, der Tag war zu gedrängt, zu ereignisreich und enorm aufregend: der Start in die POOLSTRASSE 12  mit dem ersten Vortrag von Dr. Karen Michels. Aber vielleicht fange ich einfach tagebuchartig von Anfang an:

5:22 Uhr Beginn meiner üblichen „Rennstrecke“ von Sylt nach Hamburg. Mit dabei zwei große Koffer und eine Tasche gepackt mit Kollektionsteilen. Ich schreibe, aber meine Gedanken schweifen immer wieder ab, gehen auf das, was in den nächsten Stunden passieren wird. Ein wenig bin ich nervös, dass muss ich schon zugeben.

8:28 Uhr Ankunft Bahnhof Altona. Der Öffentliche Verkehr im Streik, die Putzfrau sagt ab, ich nehme das Taxi. Wie erzählt mein Mann immer, nur der wirkliche Aristokrat ist, der auch das Klo putzt und den Eingang schrubbt. Nun, dann mal los.

Die Kleiderstangen von Stockman aus Paris sind rechtzeitig eingetroffen. Sie sind wichtig für das Ausstellungs-Konzept in der alten Synagoge mit ihrem pittoresken Zerfall, dem rauen Fussboden und den Wänden, an denen sich die abgeplatzten Farbschichten der letzten Jahrzehnte zeigen. Es braucht die edle minimalistische Geste.

10:30 Uhr. Das Schlafzimmer ist geputzt. Edda Binné vom Stoffkontor Hamburg kommt mit ihrer Stylistin, um das Bett zu dekorieren.

Seit vielen Jahren lässt sie die schönste Bettwäschen anfertigen. Ihr Geschäft befindet sich seit kurzem fast um die Ecke in der ABC-Strasse in der Innenstadt. Wie schön, dass wir wieder etwas zusammen unternehmen und begeistern uns an dem Zusammenspiel von Ort, Dekoration und Fashion.

Abb: Bettwäsche,Decke und Kissen von Edda Binné, Stoffkontor Hamburg.

12:00 Uhr. Kurzer Abstecher ins Atelier, um ein paar Teile zu holen. Ich verliere wichtige Zeit, aber es ist einfach zu schön, Monique alles detailliert zu berichten. Dann eilig auf’s Fahrrad mit Taschen und Tüten zurück zur Polostrasse 12.

14:00 Uhr. Erste Outfits sind dekoriert, erste Stange gehängt. Alles bekommt langsam Struktur. Wenig soll es sein, die Mode folgt den Vorgaben von Raum, Kunst und Interieur. Immer wieder fällt das Licht wunderschön von der Apsis-Ruine durch die Fenster. Aber es fehlt die Zeit, um es zu genießen. Überall liegen Dinge. Und es bleiben nur noch wenige Stunden.

15:00 Uhr. Ich laufe hin-und-her. Schlafzimmer und erster Raum sind fertig. Nun fehlen noch der Hauptraum und die Küche, die zuletzt.

In diesem Mittelteil muss früher der Chor gestanden haben, um in das lange Mittelschiff mit den Emporen zu singen. Hier hänge ich das kräftige Pink-Rot auf der einen Seite, lass es bunt werden zur anderen und dann noch einmal ganz zart in Pastell und Oliv auf der letzten Wand. Die Dialog gelingt.

16:00 Uhr. Die erste Besucherin kommt. Eva von LUST AUF GUT. Sie bringt Blumen und während wir uns unterhalten, lass ich sie die Spiegel putzen. Keine Zeit für Small Talk im Sitzen.

Der nächste Besucher auch mit Blumen. Die Neugierde trieb ihn. Wir sehen und sprechen uns abends, freundlich schiebe ich ihn wieder Richtung Ausgang. Kurze (Nerven-) Krise. Es ist nicht zu schaffen. DIE WELT hat sich angekündigt, und es gibt noch das Küchen-Badezimmer-Chaos. SMS werden nicht mehr beantwortet.

17:30 Uhr. Johanna kommt, die neue Mitarbeiter für das Online und seit dieser Minute auch Event-Managerin. Kurze Einführung, dann darf sie die Kerzen verteilen, und alles für die Gäste vorbereiten.

18:15 Uhr. Ich schlüpfe ins andere Outfit, kurz die Haare mit den Fingern durchkämmen. Showtime. Da ist schon das Cousinchen samt Freundin und Nina samt Fotografen von der WELT ebenso.

Von da ab gibt es nur noch herzliche Begrüßungen auf Abstand. Jeder erhält seine Roma e Toska, kein Wein, kein Crémant. Wir haben verschärfte Corona-Regeln.

Was für ein Zauber liegt über dem Ort, der nun wirklich aussieht, als wäre er aus der Zeit gefallen. Überall brennen Kerzen, stehen staunend die Gäste.

19:20 Uhr. Dr. Karen Michels beginnt mit ihrem Vortrag. Wie wunderschön sie erzählen kann, wie kenntnisreich und tief empfunden. Sie führt uns in die Anfänge des 19. Jahrhunderts, in die Mitte des 19. Jahrhunderts und in sein Ende. Sie erklärt die Anlange des Tempels und was davon noch zu sehen ist.

Sie nimmt uns in die Hand, um das Reform-Judentum, das hier (!) seinen Ausgang fand bevor es um die Welt ging. Eine Versöhnung mit dem Christentum, ein Miteinander von Männer und Frauen während der Liturgie. Was für ein geschichtsträchtiger Ort, in dem sich nun Kunst und Fashion verbinden.

 

20:30 Uhr. Wie schön wäre es nun gewesen, noch einen Drink gemeinsam zu nehmen. Das Brot mit Kräuterbutter zu essen und noch endlos weiter zu plaudern. Die aktuelle Situation verbietet es, und so löst sich die Gruppe relativ schnell wieder auf. Aber ich glaube, jeder hat viel für sich mitgenommen. Die POOLSTRASSE 12 hat keinen unbeeindruckt gelassen.

Der nächste Vortrag am 18.10.2020, 16:00 Uhr ist schon ausgebucht. Aber ich werde ab 11:00 Uhr dort sein und freue mich auf Besucher. Dann kann man alles noch einmal in einem ganz anderen Licht betrachten und die gesamte Anlage sehen.