Neujahrsempfänge haben ihre Rituale. Es gibt Champagner oder Sekt, man steht in Grüppchen beisammen, plaudert über Vergangenes, Zukünftiges, orakelt launisch über das Weltgeschehen und die Ökonomie, greift sich ein paar Häppchen und entschwindet wieder in sein Jahresanfangs-Leben. Anders gestern mit dem Kapitän Ulf Wolter bei uns in Kampen auf Sylt. Ich versuche das Ungewöhnliche des Nachmittags mit ein paar wenigen Bildern und passenden Worten zu skizzieren …

Es kamen so viele, dass das Kapitänshaus wie geschrumpft wirkte. Kerzen überall, der Tannenbaum, Mode und Kunst. Es wirkte besonders und heimelig zugleich. Wir hatten alle Hände voll zu tun (deswegen kaum Fotos), mein Mann bereitete die Blinis mit Kaviar vor (gesponsert von Golden Caviar Hamburg), Astrid Reifferscheid (Hapag-Lloyd Cruises) schenkte den Champagner aus, und ich begrüßte die Gäste, stellte sie untereinander vor und natürlich dem Kapitän, war nebenbei Garderobiere, Platzanweiserin und Freundin, die man kurz umarmen muss. Ich liebe es so, es ist privat und vertraut. Cheers auf das neue Jahr!

Als alle saßen, dicht beisammen auf dem Sofa, den Sesseln, der Lehne, den Bänken, so als würden sie sich alle schon lange kennen, wurde es ganz ruhig, und Kapitän Wolter begann mit seiner Kindheit in der 4. Generation von Kapitänen. Sein Weg war vorgezeichnet: Die Seefahrt. Er besitzt die Gabe, Geschichten so zu erzählen, dass sie eindringlich werden, schlicht und ehrlich, nicht wie schon hundertmal erzählt. Dabei sieht man die Insel Krautsand in der Elbe, wo er aufwuchs, oder die frühere Bremen, das Schiff, wo er seinen ersten Job als 2. Offizier antrat. Er beschreibt die Charakteristik der Wellen, ihren Rhythmus, wie sie sich auftürmen, abhängig von den Strömungen, den Winden …

Die Welt gehört dem Erzähler. Er berichtet, wie er die ersten Eisberge in der Arktis sah. Der erste Eisbär. Dieses Staunen überträgt sich auf uns, jedenfalls auf mich. Die Erinnerung ist präsent, hat sich nicht abgeschliffen durch ein Viele-Male-Gesehen. Sie wirkt vielmehr differenziert, angereichert durch die Jahre der Erfahrungen. Die Welt verändert sich, der Klimawandel darf nicht außer Acht gelassen werden. Das ist wichtig.

Und so ist es das junge Mädchen links neben mir, mit den großen fragenden Augen, die das Wort an Kapitän Wolter richtet: Wie übernehmen Sie die Verantwortung, dass unsere Welt nicht weiter verschmutzt wird. Die Antwort ist ernst und nachdenklich. Auch die Expeditionskreuzfahrt ist noch nicht so weit, wie er es sich wünschen würde. Kein Schweröl mehr, stattdessen Marineöl, nachhaltige Abfalltrennung, Abwasseraufbereitung, freiwilliges Mülleinsammeln an den abgelegenen Ufern. Jeder Bereich wird kritisch befragt und optimiert.

Ist es nicht genauso in der Mode, werfe ich ein, jedes Stück, das produziert wird, ist ein Stück, das der Umwelt schadet. Aber wollen wir auf Mode verzichten? Wir müssen lernen zu differenzieren. Wo werden Prozesse angestoßen? Wo erkennen wir den verantwortungsvollen Umgang mit unseren Ressourcen? Das Reisen lässt uns auch ehrfürchtig werden, die Nähe zu einzigartigen Orten der Natur verändert uns im besten Sinne. Auch das ist wichtig!

Nicole Franken berichtet begeistert von ihrer Reise im August mit der Hanseatic spirt in die Arktis, von dem Erlebnis, einer Landschaft zu begegnen, in der es keine Menschen gab, mit einer beinahe unwirklichen Ursprünglichkeit. Zurückgekehrt nach Frankfurt begann sie noch intensiver an der Entwicklung nachhaltiger Häuser zu arbeiten.

Wenn wir nicht von den Dingen wissen, nicht das Privileg nutzen, sie zu sehen, mehr zu erfahren (Akademie auf See), mehr zu verstehen, dann bleibt unser Denken oft abstrakt und fern, statt nah und gefühlt zu sein. Neben mir sitzt ein Kapitän, der genau das vermittelt, die alte Seemannskunst, das Abenteuer, die Intuition im Umgang mit der Natur, die Demut angesichts der Gewalten. Er verbindet es mit dem modernen Wissen und der Verantwortung, die die vier Streifen am Arm verlangen. Das ist ein neues Narrativ: die Welt erfahren und befahren, um sie zu schützen und zu bewahren.

Ich schenke Kapitän Wolter das Buch „Tom Crean. Der stille Held“. Das junge Mädchen sagt mir am Ende, das sie beruhigt sei und sich freut, hiergewesen zu sein. Auch die anderen Gäste finden ähnliche Worte, verabschieden sich herzlich, schütteln uns mehrfach die Hand. Ein schöner Auftakt in ein neues Jahr. Danke Kapitän!