Cheers auf 2024! Wir feiern ein regennasses Ritual unten am Strand mit Wünschen für ein neues Jahr, … sofern nicht schon vorab per WhatsApp ausgetauscht. Allerdings gebe ich zu, dass mir in den frühen Morgenstunden, noch etwas verkatert und übernächtigt, dafür die Puste beinahe ausgegangen ist. Zu viele fromme Adjektive und große Worte. Reicht nicht ein: „Du weißt schon, was alles gemeint ist“?

Glück, eine Pose überschrieb die Bestsellerautorin Ildikó von Kürthy ihren mehr als launischen Artikel in der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung. Frech und nicht weniger provokant schiebe ich mich zwischen ihre Zeilen.

„Kennen Sie den Satz ‚Träume nicht dein Leben, lebe deine Träume‘? Grober Unfug. Viel besser ist es, wenn man endlich doch noch so geworden ist, wie man nie sein wollte.“ Startet sie gleich mit einem Paukenschlag in die sehnsuchtsvolle Wunsch-Idylle.

PENG💥Klar kenne ich diesen Satz und sogar eine Person, die ihn gern inflationär in die Runde schmeißt, was bei mir zu Zweifeln führt. Aber, Ildikó, will man wirklich so werden, wie man nie sein wollte? In mir regt sich doch heftiger Widerstand. Zu viel Negation in einem Satz.

Ich bin auch nicht der Meinung, dass die junge Frau, die ich einmal war, sich für mich schämen sollte. Nein, ganz im Gegenteil, die soll sagen: „Hey tapfer, gut durchgehalten und hübsch unangepasst geblieben.“

Arme Ildikó, es stimmt nicht, wir sind nicht „schwer desillusioniert“, und was mich anbelangt, so ist mein Sofa keineswegs mein echter „Szene-Hotspot“. Ich halte auch nicht „Zufriedenheit für das höchste der Gefühle, Glück für eine Gaukelei und ein Mittagsschläfchen für seligmachend.“

Aber (!), ich gestehe, dass es solche Menschen gibt, und ich mich in dem vergangenen Jahr manchmal verausgabt habe, sie eines Besseren zu belehren. Vergeblich. Steht auf meiner Liste, es in 2024 nicht mehr zu machen.

Klaglos nehme ich hin, dass nicht alle meine Träume wahr wurden. Einer meiner Leitsätze:

„Protect me from what I want.“

„Sonst wäre ich jetzt mit Prinz Andrew zusammen“, schreibt Ildikó. Ich muss lachen. Und ich wäre vielleicht die Ehefrau von Dr. med. Spießer oder Abenteurerin im Selbstversuch, lost im Dschungel.

„In einer Zeit, in der Selbstliebe, Selbstakzeptanz und die permanente Glückssuche auf keiner Liste mit Vorsätzen fürs neue Jahr fehlen dürfen, wo die stetige Selbstoptimierung Plicht ist und die sozialen Medien voll von faltenfreiem Frohsinn sind, gerät es in Vergessenheit, dass das Leben in weiten Teilen anstrengend, frustierend und ausgesprochen langweilig ist“, grantelt Ildikó von Kürthy weiter.

Bingo. Dann: Risk it! Alles auf eine Karte setzen und go! Barfuss durch den Regen und mit spontanen Umarmungen nicht geizen. Können wir uns leisten, denn es bereichert uns.

Ha, wenn Ihr von meinen neuen Projekten wüsstet. Heute morgen habe ich sie geschwind aufgeschrieben … Bitte schön, 2024 darf kommen, auch wenn wir alle wissen, dass, wie Ildikó schreibt: „Probleme, Minderwertigkeitsgefühle, Verschleiß und Katastrophen zum Leben gehören …“ – Gerade deswegen, halten wir uns bereit für ein überschäumendes Mehr-als-Alles!

„Die Diktatur des Glücks. Sie ist mir zuwider.“ (von Kürthy) – Mir auch. Aber den Mut zu Lachen, lass ich mir nicht vermiesen. Und genauso wenig meine Träume. Auch wenn ich nicht leichtfertig vorgebe, sie zu leben, so bringen sie mich doch unerwartet im Alltag zum Schweben. Ich schau in den Spiegel und streck meinem pubertierenden Alter Ego die Zunge aus. „BÄM“ sprechen wir nicht über Scheitern, sondern über Neuanfänge.

Erleichtert stelle ich fest, dass die Schreiberin am Ende doch noch die Kurve kratzt. Und aus vollem Herzen stimme ich ihr zu: „Mein Leben ist gut. Nicht, weil es schön ist. Sondern weil es bunt, dunkel und hell, reich und erbärmlich, beängstigend, befremdlich, einzigartig, quälend und großartig ist.“

Ich gefall mir da drin!

Und so kann ich auch den Spruch des 15 Stunden alten neuen Jahres akzeptieren: „Bleib so wie Du bist.“ Die Freundin weiß um meine Stillstandsängste und fügt schnell noch hinzu: Do not delete.

Euch ein gutes Neues Jahr, werdet ein wenig mehr die, die ihr euch bislang nicht getraut habt zu werden. Und schupst jene von dem Sofa, die meinen, es reicht „Sandgebäck“ zu naschen, mit zwei dicken Kissen im Rücken Schnulzenfilme zu sehen und damit zufrieden zu sein.

Für das, was ansteht in unserer Welt, brauchen wir Euch … als Vorbilder, als Mitstreiter, Mentoren und Zuhörer, als Magier und Zauberer mit einem freien Geist und mit versöhnenden Visionen!