Ostern hat nicht nur etwas mit Verstecken und Suchen zu tun (die berühmten Osterhasen und Ostereier), sondern auch mit dem gemeinsamen Essen und somit dem Einkaufen und Kochen dafür. Schon befinde ich mich außerhalb meiner Kernkompetenzen, denn diesen Part erledigte sonst immer der Ehemann, der nun in unerreichbarer Ferne auf Sylt weilt und mich stattdessen mit Rezepten von Lammkeule, Bohnen-Flageolet bis Tiramisu bombardiert.
Die ersten beiden Gerichte werden schlichtweg ignoriert. Das ist advanced Level. Das Tiramisu halten meine beiden Töchter in Frankreich für angemessen leicht, was meine Fähigkeiten anbelangt. Also kaufe ich in letzter Minute am Samstag ein. Eier braucht man dafür nicht. Ein Glück, denn das Regal ist leergehamstert. 500g Mascarpone, Löffelbiskuit, Kakaopulver … – Ich muss trotz hübscher Atemmaske so hilflos ausgesehen haben, dass sich eine Verkäuferin im Supermarkt erbarmt und als Personal Shopper mit mir die Regale abläuft bis ich alles im Einkaufswagen habe. Außer „Kaluah“, diesen Kaffee-Liqueur können wir selbst zu zweit nicht finden. Ich wähle Mandel-Liqueur und vertraue auf meine experimentelle Intuition.
Auf geht’s. Joseph Beuys schaut zu, alles ist hübsch arrangiert. Ich habe meine ältesten Klamotten an, als würde ich mich gleich von oben bis unten besudeln. Entwarnung. Ich musste anschließend weder unter die Dusche noch das Zimmer frisch renovieren. Ein Rührgefäß ließ sich nicht auftreiben, dafür die wunderschöne Keramik aus den 1930er Jahren.
Die Mascarpone hineinschaufeln und mit meinem alchemistischen Gemisch aus Espresso mit Mandel-Liqueur übergießen. Wieviel, steht nicht präzise im Rezept. „Nicht zuviel und nicht zuwenig“, schreibt der Graf. Was das in meiner Welt des gedanklichen Überflusses bedeutet, bleibt ein try-and-error .
Ich gieße und rührte und hoffe, dass man nicht gleich beim ersten Bissen betrunken umkippt. (Gestehe, ab und an habe ich mit einem Küchentuch die überschwappende Flüssigkeit wieder aufgesaugt.)
Nun auf einer Schale (hier von Wilhelm Wagenfeld) die erste Schicht Mascarpone-Pampe ausbreiten. Darauf die Löffelbiskuits in Reih-und-Glied verteilen. (Es beginnt Spaß zu machen, ich entspanne mich bei diesen kindlich einfachen Legespielen.) Anschließend mit Kaffee-Liqueur (oder meinem Substitut) übergießen und die nächste Lage Mascarpone drüber. Den Vorgang noch einmal wiederholen.
Am Ende alles mit dem restlichen Mascarpone überdecken. Ich verbiete mir das Naschen. Hätte ich es nur getan, dann wäre mir da schon aufgefallen, dass etwas nicht so stimmt. Aber die Optik war einfach zu eindrucksvoll.
Nun zum Abschluss noch das mehrstöckige Gebilde mit Kakao-Pulver überstreuen. Dabei entwickele ich ganz neue Techniken, denn auch das notwendige Sieb ist nicht zur Hand. Beuys schaut immer noch zu und bekundet sein Wohlwollen. Das Werk in den Kühlschrank für die nächsten Stunden bis zum Osterbesuch bei Cousinchen Sibylle.
Die größte Gefahr drohte dem armen durchgeschüttelten Tiramisu in Fahrradkorb. Aber es glückte und darf serviert werden. Beuys meets Warhol. Dazu ein Glas Eierlikör, der, wie wir gleich Tête-à-tête am Ostertisch erfahren werden, unerlässlich wird, um das Tiramisu runterzubekommen.
Geschmacklich hat es leider nichts mit Tiramisu zu tun, sondern gleicht eher einer Schwarzwälder-Kirsch-Torte ohne Kirschen. Die A-Note für die technische Ausführung fällt in der Eigenbewertung auf eine „wohlwollende Vier“.
Wo ist es mir entglitten? Ich schiebe die Schuld auf den Mangel an Kaluah und meine ungeschulte Alchemie. Wie auch immer, die Festtagsstimmung treibt es hinein zusammen mit beinahe einer ganzen Flasche Eierlikör und einem entfesselten Gelächter. Wer mir nachahmen will, der biegt schon beim Einkaufen rechtzeitig vorher ab und hält sich strickt an die Rezept-Vorgaben des Grafen.
*Für alle, die es noch interessiert: Die Ostergeschichte geht an diesem Montag wie folgt weiter: Zwei Jünger gehen traurig über den Tod Jesus nach Emmaus. Die von den Frauen erzählte Wiederauferstehung haben sie nicht geglaubt (typisch Mann). Da begegnet ihnen Jesus, unterhält sich mit ihnen und begleitet sie auf ihrem Weg. Die beiden erkennen ihn jedoch nicht, erst als er beim Essen das Brot bricht, um es mit ihnen zu teilen, wissen sie, wer vor ihnen sitzt.
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