Wollte ich den gestrigen Dienstag wie einen Adventskalender beschreiben, dann wäre es eine große Flügeltür, die sich öffnete, mit sympathischen Gästen, einer besonders innigen Vertrautheit, mit Tannenbaum und Kerzen, Drinks und Snacks sowie einem Thema, so ausufernd, dass es für viele Doktorarbeiten reichen könnte, mit Verästelungen in die Geschichte und in die Annekdoten, die Klassen-Gesellschaften, ins Brauchtum, zu Produktionsweisen, Stil und Trends. Ein wenig hatte ich schon berichtet: die Kulturgeschichte des Schuhes.

Zwischen uns Anna Lucke, die Schuhdesignerin, die mit einem ganz herzigen Geschenk von selbstgemachten Mini-Stiefel-Keksen kam und mich wunderbar mit ihrem Wissen unterstützte. Wo nun anfangen, bedenkt man den riesigen Bogen von den Barfuß-Urmenschen bis hin zu dem hightech Stiefel, um damit auf dem Mond zu gehen?

Mein Heft ist voller Notizen kreuz und quer. Spontan entscheide ich mich für ein Potpourri der Stichworte, jedes spannend genug, um es in den späteren Gesprächen weiterzuspinnen. Klar, der Abend wurde lang.

Taglia Scarpe: Neopren Stiefeletten mit gebürstetem Leder (€ 430)

Schuhe sind von Männer gemacht für Frauen, in ihnen stecken die Phantasien von Sinnlichkeit und Erotik. Um damit zu laufen, war immer schon zweitrangig. Viel wichtiger war, es dem Schönheitsideal zu entsprechen und eine soziale Zugehörigkeit zum Ausdruck zu bringen.

Hoch muss es sein, das Schuhgebilde, das Bein strecken. Über die Jahrhunderte ist der Frauenschuh das einzige, was verheißungsvoll unter dem langen Rock hervorlugt. Die Gestaltungsvielfalt explodiert mit den kurzen Kleidern der Zwanziger Jahre. Und das Pin-up Girl der vierziger Jahre steht wieder auf Zehenspitzen in Pumps. Schuhe bestimmen die Art, wie wir gehen.

Der kleine Fuß ist das Formideal, ein zierlicher Abstruck mit Spitze und Ballen. Wir denken an Aschenputtel und ihre Stiefschwestern: „Hau den Zeh ab … hau ein wenig von der Ferse ab. Wenn Du Königin bist, dann brauchst Du nicht mehr zu Fuß zu gehen“, sagt die böse Stiefmutter zu ihrer Tochter, vergeblich. Die Schuhe und Stiefel im Märchen symbolisieren Macht und Glück.

Aber es gibt auch böse Stiefel, wie die der Waffen-SS, produziert von Hugo Boss. Stiefel die treten, die unterdrücken, die Angst machen. Wieder ein ganz anderer Aspekt, der weit entfernt ist von dem ursprünglichen Nutzen gegen Kälte, Schmutz und harte Untergründe. – Wir haben mittlerweile aus Stiefeln Luxusartikel der Mode gemacht, mit breiten Schaft, mit schmalen Schaft, mit Verzierungen …

Wieder springe ich, erzähle von der Begehrlichkeit, die Schuhe wecken, von der jungen Frau in New York, die sich kaum ihren Coffee to go leisten kann, aber von den Louboutains mit der roten Sohle schwärmt, die sie hofft, bei ebay zu ersteigen. Schuhe als „investment in social currency“.

Ach, ich könnte noch so vieles erzählen, über das Leben von Salvatore Ferragamo, den Sprichworten, dass „nur der Schuh weiß, wo der Strumpf Löcher hat“, oder warum es heißt: „Umgekehrt wird ein Schuh daraus“ … Für jeden gibt es an diesem Abend einen Nikolaus mit einem kleinen Seidentüchlein, und die Käuferinnen erhalten einen Mini-Schuh aus Stoff. Ab Donnerstag erwarten wir ein weiteres großes Paket mit feinsten Stiefeln aus Italien, ein Grund nochmals zu kommen.

Schon bin ich bei dem nächsten Event am Samstag, den 10. Dezember von 13 – 18 Uhr in der Poolstrasse 30. Christiane Clément, Künstlerin und Illustratorin, und wir laden ein zu Teatime with the dogs.

Und wem noch ein Weihnachtsgeschenk fehlt, der gibt ein Porträt seines liebsten Feuchtschnautzen-Freundes in Auftrag. Bonnie ist schon skizziert. Wir freuen uns auf Euch.