… fragt sich nur womit. Benzin und Diesel sind geforderte Auslaufmodelle, die Steckdose für das Auto gibt es auch zuhause und wie sieht es mit Wasserstoff aus? Dahinter stecken komplizierte technische Details und Marktstrategien. Tanken wir uns selbst auf mit Wohlfühl-Energie, mit Nahrungsmitteln und sonstigen Genussgütern …

Schon sind wir bei den „Tankenstellen der Zukunft“, dem gestrigen IT’S A DIENSTAG Thema mit unserem Talkgast Hauke Hartwig (Tamoil/HEM), Ehemann von Angela, die viele von den vergangenen Events kennen.

Bevor wir uns setzen, gehen die Themen schon in alle Richtungen: Warum solch ein abseitiges Motto für den Abend? Ich widerspreche, hatte ich doch erst kürzlich die Poolstrasse 30 als „Tankstelle“ bezeichnet, zu der die Menschen und Freund*innen kommen, um sich gegenseitig zu inspirieren und „aufzuladen“ mit neuen Gedanken.

Ich hatte mich ein wenig vorbereitet und kreuz und quer durch die spannende Kulturgeschichte der Tankstelle gelesen, anfangen bei Bertha Benz, die 1888 mit ihren beiden Söhnen von Stuttgart nach Pforzheim fuhr und an einer Apotheke tankte (Waschbenzin).

1909 gab es dann das erste „Tankstellen“-Verzeichnis in Deutschland, es waren Drogerien, Kolonalwarenhandlungen, Fahrradläden sowie Hotels und Gaststätten, die Flaschen und Kanister mit Treibstoff verkauften. Kommen wir da vielleicht wieder hin? Wir werden sehen.

Die erste Tankstelle in Deutschland stand am Raschplatz in Hannover. Man hat sie abgrissen, was für ein Verbrechen, ist es doch ein historisches Denkmal und eventuell sogar die Vorlage für den Tank-Kiosk der Zukunft mit der „allgegenwärtigen“ Möglichkeit sein Auto aufzuladen („ubiquitos“, wie es im unaussprechlichen Fachjargon heißt).

Dr. Anja Aldenhoff hat die medizinische Leitung bei Shell Deutschland und weiß darüber zu berichten, Steckdosen an den Straßenlaternen, beim Supermarkt. Wir befinden uns nicht in einem spekulativen Morgen, sondern in der Gegenwart.

Von den ersten Nachkriegsjahren bis heute erweiterten die Tankstellen ihr Sortiment, erst gab es nur Auto-Zubehör, dann Zigaretten, danach wurden sie zu einem Mini-Supermarkt und schließlich gab es das Bistro mit Sonntagsbrötchen, Kaffee und Kuchen. Das einstige Zusatzgeschäft macht mittlerweile 50% des Umsatzes aus.

Es gibt Tankstellen in den Innenstädten, in den ländlichen Regionen, an den Autobahnen, an den großen Knotenpunkten von Verkehr. Was macht man damit, betrachtet man die nächsten zwanzig Jahre? Wer will schon unternehmerisch das neue Kodak werden, das keiner mehr braucht.

Ich höre zu und bin in meinem Element. Will man nach vorne denken, muss man nach hinten schauen. Tankstellen besaßen Kultstatus, waren Orientierungspunkte der Stadtstrukturen. Berühmte Architekten wurden engagiert wie Peter Behrens, Mies van der Rohe oder Arne Jacobsen, der für mich die Schönste in der Nähe von Kopenhagen (1936) baute.

Die Struktur ist immer die gleiche: Ein Haus für Kassierer und Kunde, Zapfsäulen, Dach und eine Lage etwas abseits von dem fließenden Verkehr. Ich habe mir die Bibel“ der Postmoderne hervorgeholt: Robert Venturi „Learning from Las Vegas“ (1972), in der er über die neuen Symbole der Architektur spricht: die Ente oder der dekorierte Schuppen (Tankstelle).

Es gilt, global und gleichzeitig regional zu denken. Kooperationen mit dem ortsansässigen Fleischer und eine Archiktur mit internationale Aussage. Wie mache ich die Tankstelle zur neuen Destination? Was anderes tun wir auch nicht mit unseren Boutiquen.

Es geht um Kommunikation, um Treffpunkte für Menschen, die verweilen, um zu konsumieren, was auch immer, und während dessen lädt das Auto. Die Tankstelle als die neue Bücherstube, der „Pick-up Place for Individuals“, wie es früher über die Museen hieß, ein Mekka für Poetry Slams und Karaoke-Fans? Plötzlich ist das Thema „Tankstelle“ ganz und gar nicht mehr abseitig.

Unbedingt muss ich das Foto von PRADA in der Wüste von Nevada zeigen. Marfa, nie gehört, aber ein Ort, wo man mittlerweile hinpilgert. Und wieder einmal sehen wir: „Fashion is all“ (Diana Vreeland). Statt „Learing from La Vegas“ könnten die Mineralölfirma vielleicht „Learing from Fashion“ überlegen.

aus: Volltanken Bitte. Tankstation in der Atacama-Wüste im Norden Chiles.

Bin gespannt wie der Tankstellen-Spagat der Zukunft aussehen wird wird zwischen Kolonialwaren-Geschäft, amerikanischem Diner mit dem most wanted Burger oder einer virtuellen Shopping Erlebnis à al Amazon?

Wieder ging ein anregender Abend zu Ende, wie inspirierend war es, in die Glaskugeln der Zukunft zu schauen. Dank an Hauke, dem ich zum Schluss noch das Buch über 100 Jahre Tankstellen in die Hand drücke. Wie sagte Karl Lagerfeld: Mit der Vergangenheit die Zukunft gestalten, ob er dabei nur über die Mode sprach? – Ich glaube nicht.

Nächsten IT’S A DIENSTAG (7.2.2023) freuen wir uns auf Nicole Waldschmidt, Director Brand Solutions. Consultant in der Medienbranche, Business-Coach, die uns erzählt, wie man die eigenen Glücks-Codes entschlüsselt. Anmeldung: info@romaetoska.de