Allein schon diesen Satz als Überschrift zu schreiben, tut einem weh! Aber wir leben in einer Zeit, in der sich die Fakten verdrehen und das Ego überhand nimmt. Unser Talkgast an dem gestrigen IT’S A DIENSTAG ist Carsten Maltzan. Sein Job: Krisen PR. Die Poolstrasse 30 ist gefüllt, alle quetschen sich eng gedrängt auf Sofa, Fensterbank, die wenigen Hocker und Stühle. Es herrscht eine konzentrierte neugierige Atmosphäre. Unser Salon wird lebendig.

Aus der Erinnerung notiere ich einen Satz von Carsten, der mir in die Seele gefallen ist (nicht der einzige an diesem Abend): Man muss früh genug in Distanz zu den Eltern und dem Umfeld gehen, um das eigenständige Denken zu lernen.

Im Schnellgang seine Vita: 1962 in Hamburg geboren, in Schleswig aufgewachsen, ein echter Punk, Linksradikaler, Häuserbesetzer, Kernkraftgegner, Wehrdienstverweigerer. Kenn ich alles, ich war zwar kein Punk, aber meine Mutter fürchtete, dass ich im Untergrund verschwinde. Und Häuser habe ich auch besetzt, immer mit Pudelmütze auf dem Kopf, falls es Polizeischläge gibt. Was aus uns geworden ist, sieht man: in der Mitte gelandet als kritische DenkerInnen.

Er studierte Politikwissenschaft bei Professor Werner Kaltefleiter (erzkonservativ), arbeitete dann als Journalist bei der Schleswig-Holsteinischen Zeitung (SHZ), wechselte die Seite als Pressesprecher der Landesregierung unter Torsten Albig.

Seit 2017 berät er selbständig Institutionen, Unternehmen und Personen aus Politik und Wirtschaft, wie man mit Krisen umgeht. Kurzgefasst in seinen Worten: Die Bildzeitung schickt eine Message:

Mist! Was sag ich!

Und dann kommt Carsten Maltzan ins Spiel. Sein kurzer Abriss, wie die Medien heutzutage funktionieren, kann einen schwindlig machen, mit global gesteuerten Nachrichten und einer Faktendarstellung, die sich zu einem emotionalen Personenkult verschiebt. Wer weiß noch, was richtig und falsch ist? Algorythmen und Klicks entscheiden über die Auswahl der Informationen. „Flood them with shit“, sagte einst Donald Trump Berater Steve Bannon. So funktioniert es, die dunkle Macht hat die Deutungshoheit. Und wir merken es nicht einmal.

Wie wird man zum Yedi Ritter, der das Gute will und Gute schafft? Wie funktioniert Wandel in der Krise? Die Abläufe ähneln sich: Sorgfältig sich in die Materie einarbeiten, die Fragen hinter den Fragen stellen, das systemische Konstrukt kennenlernen. Diese Tiefe ist selten geworden. Schnell soll es gehen, sich sofort erledigen, lieber vertuschen, als auftrichtig sich stellen.

Unser Talkgast berichtet aus seiner Arbeit. Da gibt es einen jungen deutschen Influencer, der mit der Masken-Affäre einen Shitstorm erntete. Seine PR-Beraterin suchte Hilfe bei Maltzan und seinem Team. Die Empfehlung: 1. den „Mist“ zugeben, 2. bereit sein, sein Leben komplett zu ändern, 3. in den Schwarzwald gehen, abtauchen und das Handy für einen Monat vergraben. – Was ist passiert: Kliemann fand die Krisentruppe unbequem, kein Beraterauftrag, stattdessen jonglierte er mit Halbwahrheiten und verlor.

Noch so ein Satz von Carsten, der im Gedächtnis bleibt: Der zweite Fehler ist meist schlimmer als der erste. Aber nochmal, wie gewinnt das Gute? Wie bekämpft man das eigene Ego? Man muss bereit sein, den verbockten Mist einzugestehen, schnell und umfangreich zu informieren, sich der Wut der Betroffenen zu stellen.

Präzise, kenntnisreich, sachlich und trotzdem amüsant erzählt unser Gast, jeder könnte noch stundenlang zuhören: die Hamburger Bischöfe, Christina Block und die Kindesentführung, der Druck auf den Top-Politikern. Habeck und die Wärmepumpen. Meine letzte Frage: Was würde er am liebsten machen?

Eine Kampagne für mehr Zuversicht!

Carsten spricht mir aus dem Herzen und vielen im Raum. Darum schreibe ich jeden Morgen diesen Blog. Es ist genau das, was wir in diesen Zeiten brauchen, echt gefühlt und mit Wissen untermauert.

Danke für diesen Abend, wir sollten ein Team bilden. Fashion is all! Auf jeden Fall ein Indikator von persönlichen und gesellschaftlichen Befindlichkeiten.