Es war das dritte Mal, dass ich die Caspar David Friedrich Ausstellung in Hamburg sehen durfte. Diesmal mit einer kleinen Gruppe von Roma e Toska Freunden und mit Karen Michels, die uns mit ihrer fundierten Kenntnis hindurchführte. Die Leitung der Hamburger Kunsthalle hatte aufgrund der heftigen Kritik ein Drittel der Tickets zurückgezogen. Also kein quetschen und drängeln mehr, keine Ohnmächtigen auf den Bänken, sondern wir sechs fast allein mit den Werken dieses Ausnahmekünstlers und seiner Jahrhundertschau.

Schon in dem ersten Raum vor dem Selbstporträt Caspar David Friedrichs wird deutlich, was über seinem gesamten Schaffen steht:

„Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht …“ (CDF)

Sparsam sein Atelier, wie es sein Kollege Georg Friedrich Kestering (1785 – 1847) in einem Bild festhielt. Die Außenwelt scheint ausgespart. Farbe wird reduziert, an der Wand Lineal und Geodreieck für die mathematischen Formen, die wir in seinen Bilder auf unserem Rundgang immer wieder entdecken: Dreiecke, Parabeln und Hyperbeln, Goldener Schnitt.

Seine Malerei ist nicht ein Abbild der Natur, sondern eine Montage der Natur, sorgfältig komponiert mit Symbolen, Ikonographie und Zitaten, die über die Realität hinaus in ein Göttliches verweisen, oder verschlüsselt und versteckt Kritik an den politischen Umständen üben.

Friedrich lenkt unser Sehen, und dabei lernen wir das Sehen. Unwillkürlich folgt unser Blick dem Weg in die Landschaft bis zu einem Haus, in dem sich ein junges Glück einrichten könnte. Aus dem Schornstein steigt Rauch hinauf. Heimelig wirkt es, wie es sich in die hügelige Landschaft einschmiegt.

Im Hintergrund, für das schnelle Auge nicht wahrnehmbar, befindet sich eine klosterähnliche Architektur, Hinweis für ein Leben, das sich auf ein Nach-dem Tode ausrichtet. Die Sparsamkeit der Landschaftsmalerei entwickelt sich zu einem Zwiegespräch zwischen Bild und Betrachter. Etwas revolutionär Neues in der Kunst.

Genauso verhält es sich bei einem der wichtigsten Werke der Ausstellung: Der Mönch am Meer, 1808/10. Auf Wunsch des preußischen Kronprinzen von seinem Vater Friedrich-Wilhelm III angekauft, sonst zu sehen in der Alten Nationalgalerie Berlin. Ein gewaltiges Gemälde, das den Zweifel und das Hoffen der Frühromantik in sich trägt. Hier wird der Titel der Ausstellung am deutlichsten:

Kunst für eine neue Zeit

Erstmalig taucht eine Rückenfigur auf, die uns sogartig in das stürmische Seestück hineinzieht. Nichts lenkt den Blick ab. Der Mensch und die Natur … es wird wieder zu einer Einheit.

Ausschnitt aus „Kreidefelsen von Rügen“, 1818

Viele der Werke haben wir als Abbildungen in Büchern gesehen, als Kalenderblätter oder auf Notizheften, Bleistiften, Kaffeebechern, als Keksausstechformen oder auf Nivea-Dosen … Es soll sogar Socken mit dem „Wanderer über dem Nebelmeer“ geben.

Es ist jedoch der Zauber des Originals, den nichts ersetzen kann. Davor stehen und staunen, sehen, entdecken, die Schichten des leuchtenden Abendhimmels oder den Schimmer des Mondes auf dem bewegten Wasser, beinahe, als würde ein stiller Windhauch über unsere Haut streichen.

Und gleichzeitig lauschen wir Karen, die uns über die bewegte Zeit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erzählt, die aufkommenden Nationalstaaten, Napoleon, der Wiener Kongress und das vergebliche Hoffen auf Demokratie. Sehen und Wissen werden zu einem nicht wiederholbaren Erlebnis.

Jeder Raum besitzt wieder ganz besondere „Schätze“, gesehene oder nicht gesehene, frisch entdeckt und mit unbekannten historischen Zusammenhängen bereichtert. Die Kindseele Caspar David Friedrich ist ein scharfer Betrachter seiner Zeit, aber in seinen Bildern sucht er das Größere der Natur, das eine Ewigkeit besitzt

Über zwei Stunden lang sind wir selbst zu Rückenansichten geworden, die nah an die Originale herantreten dürfen, um sie für einen Moment zu studieren und emotional auf uns wirken zu lassen. Wir schauen durch die Landschaft das Universum, wie es der Religionsphilosoph, Freund und Weggefährte von Caspar David Friedrich umschrieb.

Danke Karen, dass Du uns durch die Ausstellung geführt hast. Wer Caspar David Friedrich sehen möchte, tritt entweder den Freunden der Kunsthalle bei oder reist im April weiter nach Berlin.