Wie die meisten wissen, bin ich eine begeisterte Briefschreiberin, und so manch einer hat schon Post von mir erhalten. Seit ein paar Tagen verschlinge ich ein dickes Sachbuch mit dem vielsagenden englischen Titel „A Journey through a vanishing World“, über die Geschichte des Briefeschreibens in einer Welt, die zunehmend auf dieses private, kultivierte, flüchtige und manchmal auch sentimentale Medium der Kommunikation verzichtet. Wie schade.

Ich halte dagegen und mache mich sogar zur „Auftragsschreiberin“. Eine Freundin engagierte mich gerade, um das frisch gekauftes T-Shirt samt einem Brief an die Tochter zu schicken. Eine hübsche kleine Fingerübung unterzeichnet mit „i.A. Birgit“, verfasst in der früh noch im Bett, abgegeben als Paket gleich im Kiosk nebenan.

Problematisch läuft es dagegen, wenn es kein Paket ist, sondern ein ganz einfacher ordinärer Brief. Ich mag nicht zum Briefkasten gehen! Keine Ahnung welch psychologischer Blindspot sich dahinter verbirgt. Aber ich blockiere, es ist immer das Gleiche.

Es beginnt ganz entspannt, ich schreibe, flott und beherzt, egal wo ich gerade bin, verliere mich genussvoll in einem bunten Vielerei meiner Gedanken, drucke das Ganze aus, unterzeichne, und stecke das Blatt in den Umschlag. Adresse und Briefmarke darauf. Fertig!

Nun das Drama: Der Brief bleibt liegen, einen Tag, zwei Tage, aus unerfindlichen Gründen meine ich, es wäre besser, ihn von Hamburg aus zu verschicken, statt von der Insel. Er erhält die ersten Knicke und leichten Schmutzspuren, wird vergessen, reist wieder zurück nach Sylt.

Vierter Tag, er liegt wieder auf dem Schreibtisch vor der Fensterbank mit den Muscheln … Wenn es gut läuft, dann landet er in der nächsten Woche im Briefkasten am Bahnhof. Wenn’s schlecht läuft, bleibt er liegen, bis er sich erübrigt, weil zwischendurch miteinander gesprochen, sich gesehen oder der Inhalt nicht mehr relevant. Es bedaf eines neuen Briefes. Die Geschichte wiederholt sich.

Oscar Wilde (1854 – 1900), dem berühmten irischen Schriftsteller und König der Bonmots, erging es ähnlich, das haben mir miteinander gemein. Er hasste es, seine Briefe in den Briefkasten zu werfen. Er schrieb gern, sein Nachlass umfasst mehr als 1.500 Briefe (schaff ich auch).

Wie gelangten nun seine mit schwungvoller Feder geschriebenen Selbstinszenierungen an seinen Empfänger? Ganz einfach, er frankierte und adressierte den Umschlag und warf ihn aus dem Fenster.

Irgendjemand kam immer vorbei, um den Brief aufzuheben, sich besorgt umzuschauen, wer ihn wohl verloren hätte, und dann gewissenhaft zum nächsten Briefkasten zu tragen.

Genial, ich fühle mich erlöst, befreit und lass meine nächsten Briefe einfach am Strand liegen oder werf sie auf den Bürgersteig, „verlier“ sie irgendwo in der Nähe der gelben Box. Bei Oscar Wilde kamen alle an, und die nicht ankamen, verschwieg er. Das Schicksal wollte es wohl so.

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