Gestern war Weltfrauentag. Ich hatte mich im Datum versehen, somit agierten Roma und ich schlicht als die Frauen, die wir sind, wie die übrigen 364 Tage im Jahr. Geplant war eine Wanderung zu einem der schönsten Wasserfälle der Insel, einem Ort, über den man sagen könnte: Dit pas personne (erzähl es keinem weiter), damit er so geheimnisvoll und unentdeckt bleibt wie bisher. Tag 6 auf der Réunion.

Unbedarft fragte ich Nico, ob es festes Schuhzeug sein muss oder die Sandalen mit Schmetterling von Taglia Scarpe. Er meinte erstes. Ich überlegte, ob dazu die weiße kurze Hose passen würde, auf jeden Fall die neue pinke Muschelbluse für ein paar hübsche Fotos. I am a woman! Allein der Coolness wegen wurde es die Dsquared2 Jeans. Roma entschied sich für ein Kleid aus meiner Designer-Frühzeit. She is a woman too.

Los geht es, von der Straße „into the wild“. Schnell verflüchtigen sich die Wege, aber Nico ist unser souveräner Guide. He is the man. Vor uns breitet sich eine urwüchsige Natur aus.

Ich bleibe stehen, mache Fotos, überlege ein Selfie. Sitzen die Haare? Ein Knopf der Bluse weiter geöffnet, très chic, ein schneller Anruf, eine Nachricht ans Atelier, bin eben Multitask. I am a woman. Weit vorne die Beiden.

Gigantische Bambusbäume zu beiden Seiten. Der Bach murmelt leise mal rechts mal links neben uns. Ich folge einfach und bin glücklich mit mir und all dem, um mich herum.

Ab und an drehe ich meinen Zopf hinten neu zusammen mit dem Seidenbändchen. An meiner Seite klappert das Jil Sander Täschchen mit dem Handy und dem zusammengerollten Strohhut, in der Gürtelschlaufe meiner Hose steckt das Ministativ. Ein wenig wirke ich wie ein bunter Kiosk, aber auch das gefällt mir, ist exzentrisch. It’s me.

Nico stoppt, zögert. Wir haben den richtigen Weg vorloren, sind irgendwo falsch abgebogen. Seine Miene verfinstert sich. He is a man. Kein Problem für mich, bringt doch Spaß, dann kehren wir eben wieder um und nehmen eine andere Abzweigung. Das Ziel ist nicht das Ziel.

Glücklich trotte ich hinterher, noch eine wichtige SMS, dann plaudere ich mit Roma über Natur und Schönheit. Nico eilt voran, als wäre er im früheren Leben ein „Indigenous“ gewesen. Der Urwald schließt sich hinter ihm…

Und plötzlich ist er verschwunden. Wir rufen, wir schreien. Nichts. Es beginnt zu regnen. Roma stampft wütend hin und her, versucht ihn per Handy  zu erreichen. Ich denke: Na, der Typ wird uns Frauen doch nicht hier sitzen lassen. Hey, we are women!

Dann endlich er am Telefon: Nein, er hätte keine Lust, immer auf uns zu warten, wir sollten einfach die letzte Weggabelung links nehmen. Weggabelung? Ist der irre, davon gab es viele. Wie kommen wir hier raus? Im Geiste durchspiele ich die Szenarien. Er wird uns schon retten. Help! – We are bad feminists.

Er rettet uns nicht! Endlich hören wir aus der Ferne eine dumpfe Antwort. Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Er will umkehren, wütend schleudert er sein Sandwich ins Gebüsch, ich seine Badesachen ins Wasser. Roma schimpft und kreischt. Leise merke ich an, dass ich gern weitergehen würde.

Der Weg, der keiner ist, wird immer anspruchsvoller. Durch den Regen und die Feuchtigkeit ist alles extrem glitschig, besonders die Felsen, über die wir klettern. Dann die Passage über die Stromschnellen. Meine Turnschuhe habe ich ausgezogen, beuge mich vor, dabei fällt das Handy aus der Tasche ins Wasser.

Mit einem Sprung, der Harrison Ford in Indianer Jones alle Ehre machen würde, ich hinterher. An dem ersten Felsen schwimme ich vorbei, noch zwei Meter, dann geht es abwärts. Ich bin furchtlos, unerschrocken, kein Einsatz zu viel, Bluse, Yves Saint Laurent Ketten, Armband. Wo ist das verdammte Handy (Generation: water resistent)? Nico findet es. Na ja, passiert. Nun ist er der Hero.

Und als hätte der Sprung einen Hebel bei mir umgelegt, mutiere ich zu dem, was ich immer schon war: Abenteuerin im Designer-Outfit. Kann behände klettern und springen, hangele mich an Felsen hoch, hübsch anzusehen, disruptive, wetlook …

Es geht vorbei an einer verfallenen Pumpstation, die Natur hat sich die Mauern zurückerobert. Ein Graffiti-Künstler hinterließ seine Spuren, aber die Kerle brauchen eh den Kick der Gefahr. Nico bekommt zum Dank mein halbes Sandwich und mir schmeckt der Rest obwohl pappig durchnässt so gut wie selten.

Einen Weg hat es bis hierhin nie gegeben. Selbst die local Guides meiden diese Strecke. Den Ort nenne ich „Dit pas Personne“ (Pst, zu schön). Wir nehmen Stunden später endlich unser Bad unter dem Wasserfall. Die Hose hat halbwegs gehalten, die Seiden-Muschel-Bluse ist unversehrt, hat den Stresstest überstanden.

Herrlich war es. – Wir lachen Tränen über uns als „bad feminist“: Nico rette uns! – Wäre doch schade, gäbe es nicht auch diese Momente. Roma und ich lieben es, Frau zu sein!

Und die Bluse, diese weibliche, sinnliche, tapfere, stromschnellen-resistente Muschelbluse, gibt es ab jetzt zu bestellen. Lieferung in ca. drei Wochen. Sieht auch gut aus, wenn man damit einfach nur ins Theater geht, schick zum Dinner oder zu einer eleganten Cocktail-Party. Muss ja nicht immer Urwald sein. Es werden sich schon die passenden Situationen finden: We are feminists.