Die Reise ins Paradies ist zuende, heute Abend geht mein Flieger zurück nach Paris, dann weiter nach Hause. Gestern Abend saßen wir alle zusammen bei Pierre und seiner Familie in der Maison Bleue, nur wenige Schritte von Romas Bungalow entfernt, verborgen zwischen Vegetation, ausgestreckt unter Wolken und blauem Himmel.

Schon bald beginnen wir von unseren Leben zu erzählen, und ich beobachte dabei Pierres markanten Gesichtszüge, seine dunkle Haut, die sich über den Wangenknochen spannt, um sich wieder in kluge Falten zu legen, wenn er sein breites Lachen zeigt mit den weißen Zähnen. Seine grauen gekräuselten Haare umrahmen den Kopf wie die Mähne eines Löwen. Ich habe kein Foto gemacht, es hätte die Intimität der Atmosphäre gestört.

Pierre ist ein wenig älter als ich, war Professor in Frankreich, ist den Hippies nach San Francisco gefolgt, hat das Maison Bleue dort gesucht, ist durch die Welt gereist. Vor vielen Jahren kam er auf die Réunion, um sein eigenes Maison Bleue zu bauen. Es zieht sich den Hang hinauf, verschachtelt mit kleinen Bauten für seine Söhne, die nun auch erwachsen sind. Man geht dort zu Fuß hin, einen Schlüssel gibt es nicht, aber einen Tisch, ein Essen, das wartet, und und gute Musik … genauso wie es Maxime Le Forestier in seinem Lied aus den siebziger Jahren besingt und wie ich es aus meinem Leben kenne.

Er wäre müde, sagt Pierre zu mir übergebeut, und dann blickt er lange über das Meer. Nicht müde sein, nicht bitter werden! Roma und ich reden inständig auf ihn ein, erzählen von Voltaires Candide und dem kleinen Garten, den man nicht aufhören darf zu pflegen, egal, was passiert. Wieder dieses Lächeln mit dieser alten Hoffnung, die zum Glück unerwüstlich ist.

Er hat immer wieder seinen Söhnen versichert, dass sich Menschen mit der gleichen Haltung finden, es gibt sie, überall auf der Welt, und dann schaut Pierre uns an, schmunzelt und leert Stück für Stück den Alkohol aus seinen Kühlschrank.

Nach dem Bier kommt die Flasche Champagner, dann die nächste, zum Schluss noch der gute Wein. Wir lachen, wir scherzen, wir erzählen uns Anekdoten und werden dazwischen ernst und nachdenklich. Er berichtet von den Straßenkindern auf Madagaska, denen er ein Heim schuf, eine Schule, eine Ausbildung. Nun wird er ein Haus bauen für eine Flüchtlingsfamilie aus der Ukraine.

Pierre ist der Vermieter von Romas Bugalow. Er sucht sich die Menschen aus, die im gefallen.

Neben mir sitzen Roma, Nico, Pierres Sohn Nicolas und dessen Freundin Jeanne, wir alle beisammen wie ein Familie. Was heißt “wie”, wir sind es, obwohl ich sie erst seit wenigen Stunden kenne. Man findet sich, woher man auch kommt, welche Hautfarbe man besitzt, ob man reich ist oder und arm.

Die Maison Bleue ist ein offener Ort, an dem jeder sich willkommen fühlt, ein Zuhause von Freunden.

PS: Von jedem Kauf spenden wir € 50,00 an das Deutsche Rote Kreuz, Stichwort “Nothilfe Ukraine”. In dieser Woche werden wir an einer kleinen Kinder-Edition arbeiten, deren Erlöse wir ebenfalls zweckgebunden spenden werden.