Das letzte Kapitel meiner Sommerlektüre, Susan Sontag „Der Liebhaber des Vulkans“, 1992, ist düster und unversöhnlich. Es ist eine Abrechnung, wie ich gestern schrieb, und es aufschob auf heute für meine Zugfahrt durch den Regen. Wer das Buch noch lesen möchte, ohne sein Ende zu kennen, der hört jetzt auf oder liest gerade deswegen weiter, um diese Tonalität durch das Buch schwingen zu lassen.

Die Schlussworte gehören einer Dichterin, deren Name die Geschichte vergessen hat: Eleonora Pimentel. Sie wird zuvor nur einmal kurz in der Erzählung erwähnt als Herausgeberin der repulikanischen Zeitung in Neapel. Aldlig geboren, galt sie als Wunderkind, schrieb Poems, sprach verschiedene Sprachen, übersetzte aus dem Latein und Griechischen, war Mathematikerin, Physikerin und Botanikerin. Mit Voltaire und anderen Intellektuellen ihrer Zeit stand sie in regem Austausch. 1799 wurde sie als Verräterin der Monarchie in Neapel gehängt.

Eine unabhängige Frau, die ihre Scheidung erwirkte, die von der Gesellschaft merkwürdig angesehen wurde, weil sie las. Gerechtigkeit verstand sie als Form der Liebe, in ihr fand die Autorin ihr Alter Ego.

„ICH WOLLTE MICH NICHT ENTTÄUSCHEN“,

lässt Susan Sontag sie sagen. Ein Satz, der mich tief berührt, ich möchte mich auch nicht enttäuschen. Und so lässt sie Eleonora zur Gegenfigur für all die anderen werden, die Mitläufer sind in der Dekadenz einer genusssüchtigen Gesellschaft, bis dahin, dass sie wie der Held, das „Befehlen und Legitimieren von Morden an den neapolitanischen Patrioten vollenden“.

Zart und zugleich wütend schildert sie die letzten Minuten vor der Hinrichtung, versucht die Zeit anzuhalten, zu verzögern, bevor das Unausweichliche geschieht. „Forsan et haec olim miminisse juvabit“ (vielleicht wird man sich eines Tages mit Freude hieran erinnern), steht es bei Vergil. Eine Hoffnung, wenn es darum geht, nicht nur einem, sondern vielen zu helfen, weil es „schändlich ist, daß so wenige ein Monopol sowohl auf Reichtum als auch auf Bildung haben und anderen so viel Leid zufügen.“

Und dann gibt es noch diesen letzten Satz, den man sich auf den Arm tätowieren müsste, auf jeden Fall in sein Herz schreiben. Er ist aus dem Mund der Revolutionärin und Dichterin gesprochen auch ein Aufruf in die Zukunft, dass wir Verantwortung übernehmen, um den Dingen eine bessere Wendung zu geben. So möchte ich ihn gerne lesen.

Verraten werde ich ihn nicht, sondern lasse Euch atemlos bis dorthin lesen. Damit schließe ich meine bewegende fesselnde Sommerlektüre, die mich so nachdenklich mit vielen Diskussionen durch diesen Sommer gebracht hat.