Meine Schwester war immer gut darin, sich ihrer Freund*innen zu erinnern und zu vergewissern. Keinen Geburtstag versäumte sie, pünktlich schickte sie ein Kärtchen oder ein kleines Präsent, auch wenn die Grußworte manchmal ein wenig formalistisch wirkten in ihrer steilen sorgfältigen Schulmädchen-Schrift. Ich habe sie trotzdem dafür bewundert, und musste mich selbst regelmäßig für meine Versäumnisse rügen.

Nur eines könnte ich dagegenhalten: Ich erinnere mich an die kleinsten Begebenheiten, jedes Lächeln, was jemand trug, wie sich bewegte, jede Geste, das Wetter, die Stimmung, worüber wir uns unterhielten, was nicht sagten, ob jemand insheim traurig war oder glücklich. Es ist abgespeichert in meinem Kopf und in meinem Herzen, weil es sich um Menschen handelt, die mir wertvoll sind.

Insgeheim gehe ich mein Alphabet der Freund*innen durch, während der Zug durch den dunklen frühen Morgen rattert. Die Namen lasse ich weg, es wäre zu privat, aber die Buchstaben bleiben als Platzhalter. Genüsslich lehne ich mich zurück und startet mit:


H., meine Number One in dem karierten Tweedmantel aus der „In 80 Tagen um die Welt“ Kollektion. Ich liebe ihre Art der Reihenerzählung. B., die mir ihren handgeschriebenen Zettel rüberschob mit den Notizen, was ich alles in meinem Leben ändern sollte. Ich habe Punkt für Punkt befolgt. C. mit dem schelmischen Lächeln. S. und die dusseligen Plastikschafe in der Braderuper Heide. G. mit unseren Tränen in den Augen. A. und ich in der Badewanne oben im Tempel. E. und die Diskussion, warum Liebe riskiert werden muss. D. mit dem Kopf unter Wasser. J. und ich gaben vor, uns überhaupt nicht zu mögen. Endlich wieder T. gesund zu sehen. L. für ein strahlendes „Ubuntu“. Oder N. für die Sister-Fotos und die gemeinsame Liebe zum Meer … Endlos könnte es so weitergehen.

Viele Buchstaben sind doppelt und dreifach belegt. Immer mehr As und Gs und Ls purzeln mir ins Gedächtnis. Für Q. fällt mir niemand ein, genauso wenig wie für X, Y, Z, aber wer weiß. Irgendjemand wird immer ungerechter Weise vergessen und ist doch ganz wichtig. Jedes Miteinander addiert sich zum nächsten und macht mich in Summe aus. Jede Erinnerung ist eine Geschichte (oder mehr).

Damit wird es Zeit, das Alphabet der Freund*innen in den Adentskalender zu stopfen. Das Kästchen hinter der Tür Nummer 11 reicht kaum dafür aus. Bis Weihnachten schreibe ich jeden Tag einen Brief oder zwei oder drei, wie es mir in den Sinn kommt … Die Zeit wird für alle nicht reichen, aber fühlt Euch bedacht wenigstens mit ein paar Gedanken-Zeilen.

Vielleicht lasse ich einiges auch morgen von Jeannine Platz auf Weihnachtskugeln kalligraphieren. Und Ihr kommt dazu mit Eurem ABC der Freund*innen. Dienstag, den 12.12.2023, ab 16:30 – 18:30 Uhr.

Im Anschluss daran ab 18:00 Uhr Eric Weißmann, Bestsellerautor und Sylter Immoblienmarkler als unser IT’S A DIENSTAG Gast. Voranmeldung unter: info@romaetoska.de