Es gibt eine altmodische Leidenschaft von mir: Brombeeren sammeln. Kaum bin ich aus dem hübschen Rock und der Seidenbluse in das alte T-Shirt und die lange Hose geschlüpft, mit den beiden Eimerchen im Arm, so fühle ich mich zurückversetzt in meine Kindheit.


Vorsichtig schiebe ich meine Hand vorbei an den Dornen, um die schwarz-dunkelroten Beeren zu pflücken. Die Haare mit einem Band hinten zusammengebunden, die Finger färben sich rot, vergessen ist jeder Gedanken an Fashion und Zeit.


Die beiden Hunde trollen mal vor, mal zurück oder legen sich gemächlich auf den Weg, als wollten sie keineswegs meine kontemplative Ruhe stören.


Nach ein paar Minuten gehe ich weiter zum nächsten Strauß, über die „Feenwiese“, von der man aus über die Braderuper Heide und das Watt blicken kann.

Wir sind noch in Kampen, kaum zu glauben, die Feierlaune ist nur wenige Schritte von mir entfernt, und dennoch ist es still, so als wäre ich mit mir, den Hunden, den Brombeeren und der Welt allein.


Ab und an kommen ein paar Spaziergänger vorbei, sehen mich sammeln und sind verwundert. Sie fragen nach den Früchten, die sie nicht mehr zu kennen scheinen. Sie kommentieren wohlwollend meine „Ernte“, die sie als fröhlichen Mundraub ansehen. Was ich hier tue, ist ihnen augenscheinlich fremd. Ich muss an den amerikanischen Schriftsteller David Foster Wallace denken: This is Water (2009):

…There are these two young fish swimming along and they happen to meet an older fish swimming the other way, who nods at them and says Morning, boys. How’s the water? – And the two young fish swim on for a bit, and then eventually one of them looks over the other and goes What the hell is water? (David Foster Wallace)


Kann es sein, dass wir vergessen haben, wie es ist, Brombeeren zu pflücken? Kennen wir sie nur noch verpackt im Supermarkt oder am besten gleich fertig als Marmelade?


Ich denke an meine neue Kollektion „Muscheln fühlen“ und könnte „Brombeeren fühlen addieren. Kurz mal eins sein, mit sich und der Natur.


Das Rezept für die Marmelade gibt es bei Roma e Toska in dem alten Kapitänshaus in Kampen, zwischen Hortensien, Stockrosen und Schmetterlingen und mit einem Stern morgens früh über dem Dach.