Man könnte es auch den „Secret Salon“ im Tempel von 1844 nennen, mein Projekt für die Freitage, während ich in Hamburg bin. Wir sind gestern lediglich zu zweit, nicht schlimm, es ist ein Auftakt, ich muss das neue Format noch üben, und Angela ist mir eine liebe intelligente Gesprächspartnerin. Unser Thema: Eine Reise, ein Abenteuer, zwei Bücher von einem Mann und von einer Frau geschrieben.

In meinem „Schlafzimmer“ hatte ich alles vorbereitet, Kerzen, die Bücher als Erstausgaben, meine wenigen Notizen. (Übrigens besaßen die ersten Salons in Frankreich des 17. Jahrhunderts genau dort ihren Ursprung, im „ruelle“, dem kleinen „Kämmerlein“ in den Adelspalästen).

An der Kleiderstange hängen ein paar Teile aus der Ruwenzori Kollektion, die in gewisser Weise zum Kontext dieser Bücher gehören, denn die Motive stammen von einem Abenteurer, mit dem ich im Pingpong eine Reisegeschichte schrieb. Wir haben uns gestritten, um Formulierungen gerangelt. Wer hat die Deutungshoheit, wie agieren Mann und Frau auf Augenhöhe? Das Manuskript liegt seit vielen Monaten auf Eis, trotzdem nicht „End of Story“.

Angela und ich bleiben in der Küche hängen. Ich habe den Kaffee gebrüht, es gibt Kuchen, aufgeschlagen die beiden Bücher von Ella Maillart und Peter Fleming, die 1935 gemeinsam eine gefährliche Expedition unternahmen von Peking quer durch China bis in das für Ausländer gesperrte Sinkiang und weiter auf die andere Seite des nordwestlichen Himalayas unternahmen. Ich hatte berichtet.

Beide besitzen ausgeprägte Persönlichkeiten, er brillanter Reiseliterat für die englische Times, sie extrem Sportlerin, und auch hinter ihr liegen außergewöhnliche Touren durch die Republiken der Sowejtunion mit Publikationen darüber. Jeder schätzt den anderen, aber lieber wären sie allein unterwegs. Unabhängig voneinander veröffentlichten sie ihre Bücher über die Reise. Gibt es ein weibliches und ein männliches Schreiben? das ist unsere Frage.

Ella Maillart beginnt mit den Sätzen: „Januar 1935: Peking, ein Tag mit starkem Westwind, der eine undurchsichtige gelbe Sandwand vor sich hertreibt. Ich bin unterwegs, um Nachrichten zu sammeln, die zuerst nicht besonders ermutigend sind.“

Ella Maillart mit ihrer neuen Leica. Peter hielt sie für die bessere Fotografin.

Was für eine einmalige Chance, wir können die Berichte parallel lesen. Peter Fleming wählt einen anderen Anfang: „Most journeys beginn less abruptly than they end, and to fix the true beginning of this one in either time or space is a talk which I do not care to undertake. I find it easier to open my account of it at the moment when I first realized, with a small shock of pleasure and surprise, that it had actually begun.“

Um es kurz zu fassen, wir zappen durch die Anfänge und können keine geschlechterspezifische Zuordnung vornehmen, eher eine charakterliche Eigenart, die Erlebnisse zu erzählen. Ella Maillart wird besonders stark in den Passagen, wo nichts passiert, wo sie die Leere und die Weite der Natur beschreibt. Können Frauen besser das Nichts aushalten als Männer?

Sind wir Frauen die besseren Beobachterinnen und Chronistinnen der zwischenmenschlichen Beziehungen? Es muss doch Spannungen gegeben haben, was lief da zwischen den Beiden? Es wird ausgespart. Wir hätten es gewiss erwähnt, vielleicht sogar ein Hauptaugenmerk darauf gelegt. Ich könnte mir sogar vorstellen, solch eine abenteuerliche Reise zu unternehmen, mein Buch besäße die berühmte Innenschau, die Peter Fleming so sehr an der „alarming species“ Frau hasste.

Unser Gespräch entfernt sich von den Vorlagen. Hätte eine Frau Victor Hugo sein können? – Oder ein Mann so schreiben wie Jane Austin? ergänze ich. Und lesen Männer Frauenliteratur? Wir müssen uns amüsieren, unsere Töchter würden es komplett anders sehen als wir.

Aber wir zelebrieren gern unser Frausein, ziehen uns hübsch an, sind kokett, studieren unser Gegenüber und schreiben darüber. Angela arbeitet an ihrem Buch und ich an meinen Projekten. Wir formulieren aus einem weiblichen Bewusstsein heraus, ohne die stereotypen Rollenmuster zu beantworten.

Was für ein besonderen Nachmittag, so ganz anders als der sonstige Alltag. Nächsten Freitag, den 27.1.2023, 16 – 18 Uhr stelle ich Ece Temelkuran vor: Wenn Dein Land nicht mehr Dein Land ist. Voranmeldung unter: birgit@romaetoska.de.