Die Nacht war lang mit kleinen Schlafunterbrechungen. Ich fühle mich gerädert, aufgewacht in einer Welt, die ich mir mühselig alltäglich reden muss. Beim Abwaschen der Weingläser von gestern Abend denke ich an Coco Chanel. Ihre erste Schau 1954, nach neun Jahren Unterbrechung, war desaströs. Sie soll aufgestanden sein, vielleicht hat sie sich geschüttelt, dann energisch in die Hände geklatscht. Auf jeden Fall hat sie ihren engsten Mitarbeiter*innen gesagt: Wir machen jetzt weiter und denken an die nächste Kollektion. – Wie sonst?! Es gibt viel zu tun, es wird noch anstrengender als es jetzt schon ist, da uns der Schwung der Zuversicht gerade abhanden gekommen ist. Aber (!)

Es gibt auch Gutes, rücken wir noch enger zusammen, werden wir wesentlich, in dem, was uns wichtig ist, nehmen wir einander bei der Hand und schaffen uns unsere eigenen Visionen von Zukunft! Der gestrige It’s a Dienstag war so ein Zeichen dafür. Ich werde morgen berichten.

Heute geht es um die Affordable Art Fair, um „erschwingliche“ Kunst zwischen €1.000 und €10.000, das ist das Konzept der Messe. Gezeigt werden Malerei, Objekte, Fotografie für Einsteiger*innen und für Sammler*innen. Es ist ein gesellschaftliches Ereignis, zu dem sich auf der Vernissage halb Hamburg einfindet. Und es ist ein kulturelles Ereignis, weil es zwischen den unterschiedlichen Niveaus des Gezeigten manch Entdeckung gibt.

Wie im Jahr zuvor stehe ich Thomas Holthoff und seiner Galerie zur Seite. Zusammen haben wir die Künstler*innen und ihre Werke ausgewählt. Über Luca Lanzi habe ich schon mehrfach berichtet. Ich schätze die Arbeiten des 1977 in Bologna geborenen Künstlers. Nur scheinbar kindlich wirken seine Zeichnungen, archaisch dagegen die Terrakotta Objekte. Er zeigt eine beseelte Dingwelt, die es neu zu befragen und zu erforschen gilt.

Auf der anderen Seite stehen die Fotoarbeiten von Edith Held. Hier weist der Weg in eine versponnen märchenhafte Welt. Das Labyrinth der ausgeschnittenen Papiere oder das Pferd mit der pinkfarbenen Mähne und den Augen, die einen direkt anschauen. Was sie sagen wollen, habe ich noch nicht herausgefunden. Und genau an dieser Stelle beginnt Kunst interessant zu werden, wenn sie in einen Dialog hineinführt.

Die Arbeit von Alex Ewerth ist noch eingepackt. Empfindsam staffelt die Künstlerin die Realitäten bzw. Lagen hintereinander, wie ein Wackelbild, wie eine Symphonie oder wie eine traumwandlerische Wanderung. Was sich überlappt, erhält eine Gleichzeitigkeit und verändert sich durch die Nähe oder Entfernung der Betrachtung.

Rechts von „Some scared place“ steht die düstere Endzeit-Malerei von Peter Buechler aus Berlin. Ich mag diesen Künstler gern, seinen bissigen Humor, seine surrealen Ready-Made-Experimente sowie auch dieses Bild. Gerade heute ist mir danach, ihn in den Arm zu nehmen und zu sagen: „Peter, vielleicht geht etwas zu Ende, aber in jedem „The End“ steckt auch ein Neubeginn. Ich glaube fest daran und mach mich auf den Weg.

Affordable Art Fair, 12. Edition, vom (6.11.) 7.11. – 10.11.2024 in den Messehallen. Ich bin meist ab dem späteren Nachmittag anwesend.