Sonnenschein auf Sylt. Gebt zu, daran hatte keine mehr geglaubt, die Wetter-App verkündet: Regen, Regen, Regen. Aber so ist das eben hier auf der Insel. In aller Frühe habe ich mich aus dem Bett geschält und bin an den Schreibtisch für die morgendlichen prosaischen Klimperübungen. Der Blog musste warten, denn es fehlten noch die richtigen Fotos: vom Rock, den Boots, dem Meer und dem Himmel dadrüber.

Es gibt andere Outfits für den Spaziergang am stürmischen Meer, aber es geht auch so in High-fashion von schwarz-weiß, das das Meer noch schaumiger aussehen lässt und den richtigen Kontrast bietet zu dem Himmel in zart blau-grau. (Rautenrock, € 598)

Der Schriftsteller Henry Beston trug sicherlich keinen Jacquard Rock aus Wolle, und an den Füßen hatte er gewiss auch keine Stiefel mit grünem Cord. Aber (!) er war ja auch ein Mann und es war 1926, als er im Winter auf Cape Code am Strand entlang marschierte, um den Spuren der Vögel zu folgen. Bei mir gab’s keine Spuren, außer ein paar menschliche Fußabdrücke und Samy, der vor mir hertrollte. Die Vögel segelten hungrig über den Wellen im Wind.

Der Strand ist durch die letzten beiden Stürme halbiert, jede fünfte Welle reicht bis an das Rote Kliff heran und ich muss auf Steinen mich rüberhangeln, um keine nassen Füße zu bekommen. Es wird ein ganzes Stück Arbeit sein, diesen Verlust im späten Frühjahr wieder auszugleichen.

Trotzdem überwiegt nicht die Wehmut, sondern vielmehr die unbändige Freude an diesem Spaziergang, der so lautlos ist, obwohl das Meer so heftig braust. Wie merkwürdig, nicht einmal das Kreischen der Vögel ist zu hören … Geschluckt vom Wind.

„Der Winter ist nicht bloß eine Negation, nicht einfach die Abwesenheit des Sommers; er ist eine eigene und tatsächliche Präsenz, und zwischen seinem Ausklingen und dem langsamen und verhaltenen Einfließen des Frühlings hier im Norden liegt eine Phase, in der die Erde leer ist; teils ist es tatsächlich so, teils ist es ein Gefühl. Ein einzelner Regentag, eine Woche schönen Wetters, und die Erde füllt sich mit den Zuckungen und dem Pulsschlag der neuen jahreszeitlichen Energien an.“ (Henry Beston, „Das Haus am Rande der Welt“, Mare Verlag)