Taschen haben die Besonderheit, dass sich in ihnen Inhalte aufbewahren, die schon lange aus der Erinnerung gefallen sind. So lag heute Morgen urplötzlich das Ticket vom Musée D’Orsay Paris auf dem Schreibtisch, wahrscheinlich aus irgendeinem Seitenfach der alten Celine herausgerutscht. Wer ist oder besser war Gustave Le Gray? Und noch viel wichtiger, wer war am 21.9.2018 in seiner Ausstellung?

Spätestens hier könnte sich ein ganze Geschichte entspannen. Die Tasse von Maxim’s ist reiner Zufall, ich hatte Kopfschmerzen und brauchte einen Espresso. Auch der Knick im Papier zeugt lediglich von dem nachlässigen Umgang mit vergangener Zeit. Nehmen wir an, ich war es damals in Paris. (Premier Vision. Kollektion Herbst-Winter 2019/20). Könnte sein, habe um 11:59 Uhr das Ticket gekauft. € 14,00. „Le Brick au claire de lune, 1856“. Null Erinnerung. Ich gehe auf Spurensuche und verteufele mein schwaches Kulturgedächtnis.

Fangen wir mit der kleinen Sensation an: Le Grays Fotoarbeiten gehören heute zu den teuersten der Welt. Er wurde 1820 als Sohn eines Kurzwarenhändlers in Frankreich geboren und starb 1884 in Kairo, wohin er vor seinen Gläubigern geflohen war.

Er zählt zu den Pionieren der Fotografie und erfand das sogenannte Sandwich-Verfahren, in dem das Positiv (Foto) durch zwei Negative entwickelt wird. Wolken brauchen eine lange Belichtungszeit; das Meer, die Brandung, die Schiffe nur eine kurze. Durch die Überlagerung der beiden Negative mit unterschiedlicher Belichtung, erzielte Le Gray eine ganz neue Intensität und Dramatik.

Wenn ich auch nicht mehr weiß, ob ich diese Arbeit in echt gesehen habe, so schaue ich mir nun mit Le Gray im Kopf den Abend an der Küste ganz neu an: das Meer, der Himmel, ein Boot, sanfte Wellen am Strand.

Es überlagern sich Fotografie und Realität mit Paris im September und Sylt im Mai. Es entsteht ein neues komplexes Bild (mehrfach verwendbar, mit einer anderen Zufälligkeit!) Wünsche für heute ein fröhliches Stöbern in alten Taschen.