Als Roma e Toska Familie besitzen wir eine gewisse Öffentlichkeit, jeder von Euch kennt die Rezepte vom Grafen, verfolgt Roma auf der Réunion und Toska in Paris, nimmt Geburtstage zur Kenntnis. Natürlich ist nicht „Everything for Sale“, wie meine berühmte Schwägerin Beata Tyszkiewicz mit Andrzej Wajda damals in London als Drehbuch schrieb. Aber ein wenig Interna darf sein.

Toska kam diesmal für Weihnachten aus Warschau auf die Insel. Da sie Fotos von sich für eine Agentur brauchte, sollte ich in Aktion treten. Doch es ist nicht einfach, sich der eigenen Tochter mit der Kamera zu nähern, auch wenn es nur das I-phone ist. Wenigstens scheint die Sonne.

Atelier von Toskas Großonkel Gaber in Warschau.

Auf dem Spaziergang durch die Braderuper Heide runter zum Watt erhalte ich meine Instruktionen: a.) keine doofen Witze, b.) keine überflüssige Inszenierung, c.) kein harsches Rumkommandieren. Stattdessen solle ich sie einfühlsam und vorsichtig leiten, damit sie sich hübsch fühle und ein wenig von sich selbst offenbart (letzteres bleibt ungesagt).

Ehemals mein Vivienne Westwood Rock aus London. Walford Strumpfhose, alter Cashmere Pullover.

Stumm nicke ich und weiß doch instinktiv, dass ich mit einem Bein im Mutter-Tochter-Desaster stecke. 90% Chance, dass das Vorhaben misslingt und der 1. Weihnachtstag eine familiäre Harmonie-Delle erhält.

Der Anfang ist dann auch ein wenig holperig: Warum hier? Ihr wäre schon kalt, was so ein überflüssiger Satz wie: „kriech in Dich hinein“ bedeuten solle …? Daraufhin Schweigen.

Sparsam gebe ich nur noch banale Regieanweisungen: schau ein wenig nach rechts, Augen auf, schüttele die Haare. Bin ansonsten ganz leise, als würde man einem Reh zuschauen, das sich scheu der Futterstelle nähert.

Meine Vintage YSL Bluse aus den 1970ern.

Dann haken wir uns wieder unten und laufen zum nächsten Landschafts-Foto-„Set“. Sieht man nicht da hinten Menschen? Du stehst zu hoch oder zu tief. Die Perspektive ist schlecht. – Mag sein, aber nun bin ich in meinem Element.

Gaber damals in seinem Atelier mit Gemälde.

Zutraulich stopft sie ihr kalte Hand in meine Manteltasche. Wir haben uns. Vertraut, wie schon die ganze Zeit in diesen viel zu kurzen Weihnachtstagen, gehen wir weiter. Sie erzählt.

Großtante Hanna Rechowicz, Foto Vogue Polska

Ich muss nichts erzählen, sondern nur zuhören und lauschen, begreifen und beobachten. Ein wenig Drama gehört immer dazu. Nomen est omen. Und dann hören wir später vor dem Weihnachtsbaum Hanka Ordonówna, die berühmte polnische Sängerin der Zwanziger Jahre, die einen Tyszkiewicz heiratete.

Morgen fährt Toska wieder zurück in das versponnen einsame berühmte Haus, in dem ihre hundertjährige Großtante samt alter Pflegerin lebt. Dort hat sie ihr Zimmer, ihr Bett, ihre Tasse mit schwarzem Tee und ihre Skizzenbücher.

Der Garten hinter dem Haus in Warschau, in dem jüdische Kinder vor den Nazis versteckt wurden.

Währenddessen wurde das Weihnachtsessen bei uns zu einem Lehrstück der polnischen Sprache, wie die Wörter phonetisch gesprochen werden, und wie man sich vorsichtig mit Gesten den Überresten eines Künstler-Lebens nähert.

PS: Ich wünsche Euch noch für den Rest Frohe Weihnachten. Roma e Toska Kampen/Sylt ist heute bis 17:00 Uhr geöffnet.