Manchmal kann ich auch einfach Touristin sein. Ausgestattet mit spärlichen Informationen zu dem Ort, an dem ich bin, lasse ich mich treiben, sauge auf, was die engen Straßen mir bieten, die Säulen der Antike, die Mauernj ja des Mittelalters, die Fresken der Renaissance und natürlich die Balkone, von denen jeder an Romeo und Julia erinnert.

Der Balkon von Juliette.

Die Menschen laufen an uns vorbei, Einheimische, Sightseeing Gruppen, ganze Busladungen voll, von denen es immer weniger gibt, je weiter man sich von den Mainstream Plätzen und Geschäften entfernt. Dann wird es ganz ruhig, morgens früh in Verona.

Toska und ich tragen Vintage Blusen von Yves Saint Laurent aus den siebziger Jahren. Die Seide ist schon ein wenig alterschwach, aber die Muster darauf passen zu den Ornamenten und Bildern, die wir überall vorfinden.

Meine Tochter kombiniert sie mit dem Kleid von Courrèges. Ich trage den pinkfarbenen Rock aus der Muschel-Kollektion und fühle mich ausgeschlafen und beschwingt. Es wird einer dieser selten Tage wie ausgeschnitten aus dem sonstigen Tun, reserviert für die Schönheit.

Basilika Saint Anastasia

Es ist erst 10:00 Uhr und schon beinahe 29°C draußen, aber es weht ein Wind vom Fluss herüber, der die Luft überraschend angenehm macht. Wir frühstücken ein wenig abseits der touristischen Cafés mit den mehrsprachigen Menü-Karten vor dem Eingang und rüsten uns für den Spaziergang durch die Kunst- und Architekturgeschichte.

Basilika Saint Anastasia

Wir kaufen ein Kombi-Ticket für die vier wichtigen Kirchen: Saint Anastasia, Duomo, San Zeno und San Fermo. Dazwischen liegen die steinigen engen Gassen der Altstadt.

Oben: Portal Duomo, unten: Fresken San Zeno

Ich wünschte, ich hätte Karen Michels an meiner Seite, die mich kurz vor der Abfahrt noch mit dem wichtigsten an Informationen ausgestattet hatte. Nun grabe ich in meinem früheren Wissen von Romanik, Gotik und Renaissance. Augen auf, das ist das Beste.

Außerdem möchte ich Euch nicht mit Reisebeschreibungen langweilen, die man bei Google und Wikipedia sich schnell aneignen kann. Geschichte beginnt mit den Füßen, sagte immer einer meiner Professoren, man geht einfach durch sie hindurch.

Portal San Zeno  mit der berühmten Bronzetür (11.-12. Jh.)

Wir wandern als Kreative, alles dient der Inspiration, die Farben, die Räume, die Art, wie mit Malerei und Skulptur erzählt wird. Die Eindrücke bereichern mein Gedächtnis für spätere Stoffe und Modelle.


Und ab und an bleiben wir einfach nebeneinander sitzen, genießen die schwebende Stille und atmen den feucht-süßlichen Duft der sakralen Bauten. Kurz einmal mehr sehen als wissen, das ist auch etwas Köstliches.

Außergewöhnliche Dachkonstruktion von San Fermo

Der Abend endet in der Arena. Es gibt „Madame Butterfly“ von Puccini. Wir haben die billigen Plätze ganz oben, trinken unseren Rotwein und lauschen den Klängen, die uns weniger nach Japan entführen, als vielmehr in eine Jahrhundertealte Sehnsucht von Liebe und Drama.

Wunderschön vor allem der 2. Akt. Über uns die Sterne am Himmel über Verona. Keiner von uns beiden gibt zu, dass er hundemüde ist und die Füße wehtun, das wäre viel zu profan bei so viel Kultur. Leise flüstert mit Toska ins Ohr: „Wir werden wie Steine ins Bett fallen.“ So geschehen.

Versprochen, wir kommen wieder. Aber nun geht es erst einmal weiter nach Como, um aus Illustrationen Stoffe zu machen.