Die Gegend um den Comer See hat eine lange textile Tradition von Seidendruckern und -Stickern. Hier sitzen unsere Freunde und Partner, ohne die Roma e Toska nicht das wäre, was es ist. Frederico und Antonio mit ihren ausgefallenen Tüll-Bearbeitungen, Adele, die für ihre raffinierten Kreationen immer wieder Preise in Paris gewann, und Aldo, den erfahrenen Techniker, den wir dieses Wochenende besuchen. Er arbeitet mit den besten DesignerInnen zusammen.

Er holt uns vom Bahnhof ab, wir sind in seiner Druckerei verabredet, die unter anderem die exklusiven Prints für Louis Vuitton und Hermès ausführt. Minutiös erklärt er uns die aufwendigen Abläufe wie ein Stoff entsteht, den wir für unsere Blusen, Schals und Futterstoff verwenden.

Allein die Vorbereitung des Materials dauert eine Woche, und dann zieht der Ink-Jet Printer Linie für Linie über die Seide, die danach dampfgebügelt und gewaschen wird, um das Motiv zu fixieren und den Stoff fließend weich zu machen. Jede Ausführung gleitet und streichelt ein wenig anders zwischen den Fingern und über die Haut.

Vor uns liegt der Andruck (Test) für den Brombeer-Schal. Jedes Mal finde ich es aufregend, der Weg von den ersten Anfängen, in diesem Fall der E-Mail von Eva: „Und weißt Du, was ich mir wünsche – nach der geliebten Sylter Wolkenbluse, der Bluse mit den Humboldt’schen Muscheln, eine Seidenbluse mit dem Print der zartlila Besenheide, die derzeit blüht.“

Es bezog sich auf meine Brombeer-Fotos im Blog. Das Bild schickte ich Aldo und dazu eine Skizze mit dem Rahmen-Motiv der Delfter Kacheln. C’est ça! Noch zwei-drei Wochen, dann haben wir die nummerierten Schals (und Blusen) dazu. Das Stückchen Stoff schlinge ich schon heute um meinen Hals.

Aber das ist nicht der einzige Anlass unseres Besuches. Wir wollen die Umsetzung der Illustrationen von Iya Voinich besprechen, der russischen Künstlerin im Exil, die wir vorgestern in Verona trafen. Am Computer probieren wir gemeinsam die Varianten aus: Monsters of Childhood.

Gerne lasse ich Aldo mit seinen Erfahrungen den Vortritt. Es ist nicht so einfach, von dem einzelnen Bild, einen endlosen Stoff bis hin zu einer fertigen Bluse zu denken. Die Größen müssen stimmen, die Übergänge passen. Geschickt schiebt die Graphikerin die Elemente ineinander, Bäume wachsen ins Endlose und werden zu einem Mäander von Ästen.

Auch hier bedarf es noch einer Menge Detailarbeit, bis alles fertig ist für die Produktion. Das Hauptmotiv wird der Baum mit dem aufgerissenen Maul und dem Mond, der dahinter leuchtet. Ich sehe sie schon vor mir die Kollektion mit den Blazern, Blusen, den Unistoffen in sanftem Petrolblau und tiefgrünem Nearly-Black, die Bouclés und die Jacquards.

Der Nachmittag ist im Nu verflogen, Aldo fährt uns bis zur Zahnradbahn, die uns hoch hinauf nach Brunate bringt, wo unser Wanderhotel mit dem kleinen Zimmer und dem sensationellen Ausblick wartet.

Wir sprechen im Auto über die Zukunft von dieser Art der Mode, die so individuell ist, die die Erfahrung des technisierten Handwerks braucht. Er ist desillusioniert. KI wird übernehmen und Trend-Kollektionen zukünftig entwerfen, die sich erfolgreich verkaufen lassen, sagt er mir. Toska und ich halten dagegen, wir haben unsere Nische gefunden für das Besondere, das auf die besonderen Frauen trifft. Man findet sich eben auch hier.

Wir werden Aldo nicht reich machen, dafür sind wir viel zu klein als Label, aber wir teilen unsere Wertschätzung. Er hat ein Boot gekauft, mit dem er zusätzlich noch exklusive Fahrten auf dem See anbietet, € 1.500 den Tag, gutes Geld. Heute sind wir seine Gäste. Wir lachen alle drei. It’s all about fashion! Auch der See, die Berge, die Sonne, wie sie untergeht und das elegante Schiff, das das türkisfarbene Wasser mit seinem Bug zerteilt.

Gleich werden Toska und ich frühstücken und dabei den Blick genießen über den Comer See bis er sich zwischen den dunstigen Alpen verliert. Wir haben keine Eile, auch mal schön.