Früher woben die Frauen ihre Geschichten in Stoffe, erzählten sie von ihrem Leben in gestickten Bildern. Heute Morgen wollte ich von meinem neuen Tuch berichten mit dem Heliozentrischen Bild des Kopernikus, gedruckt auf Seidenchiffon, verbunden mit dem Motiv des Abendhimmels über Sylt und den Seidenorganza Blüten. Es ist vor ein paar Tagen im Atelier entstanden und ist ein Unikat.
Gerade schrieb ich die ersten Zeilen, da erreichte mich der Hinweis auf einen Essay in ZEIT ONLINE: „Hummer gegen Kummer“. Nun, die Headline ist ein wenig platt und banal, aber die Geschichte dahinter so schön, dass ich sie auf meinen Schal sticken lasse für den heutigen Adventskalender.
Es geht um die Hummer-Fischer in Maine und es geht um eine Welt, die uns allen gehört. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts holten die Männer im Norden der USA so viele Hummer aus der Tiefe der See, wie sie nur fangen konnten, egal, ob es sich um die schützenwerten Weibchen handelte, denen man kurzerhand die schwarzen klebrigen Eier vom Unterkörper abschabte, damit sie nicht mehr als solche zu erkennen waren, oder um die kleinen Jungtiere. Hauptsache die Kasse stimmte. Man hielt zusammen in dem Verbrechen, das sie nicht als Verbrechen definierten.
Dann kam die Weltwirtschaftskrise 1928, beinahe die Hälfte der Hummer-Fischer verlor ihre Existenz. Es galt umzudenken, das Gemeinwohl zu schützen. Wenn sie nun ein Hummerweibchen aus dem Wasser holten, so setzten sie es vorsichtig wieder zurück ins Wasser und ritzten ihm zuvor ein V auf die Schwanzflosse, damit jeder erkennen konnte: Dies ist ein Muttertier und darf nicht gegessen werden. Kam ein Hummer mit einem V auf den Markt, so wusste jeder sofort, hier verkauft ein Verräter. Kam es gar im Restaurant auf den Teller, so hieß es: hier kocht ein Verräter. Die Fischer von Maine sind stolz auf sich, das Meer und die Schätze dort drin.
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