Titel verpflichten, und so gibt es an diesem lauen Abend hoch oben im Norden, 10.800 Kilometer entfernt von seinem Ursprungsort, einen Pisco Sour Empfang. Anlass ist der Schmuck-Event mit Katrin Ollech und Meerglanz bei Roma e Toska im Kapitänshaus. Wo fange ich an? Bei mir als untalentierter Double-Linkshänderin in der Küche oder bei der Geschichte von einem der berühmtesten Drinks dieser Welt? Pisco Sour gehört zum Kulturerbe von Peru. Der vierte Sonntag im Juli wurde zum nationalen Feiertag des Pisco erklärt. Gestern war mein Coming-Out als sein Ambassador.

So sehe ich aus, bevor es losgeht: entspannt. Der neue Rock aus Wildseide, die Freundin in rosé, ich in hellblau, Slingbacks von Taglia Scarpe, Seidenblusen. Das Rezept hört sich einfach an und ist es auch: 1 Becher frisch gepressten Limettensaft, 3/4 Becher Zucker, 3 Becher Pisco, 1 Eiweiß, mixen bis es schäumt, Crashed Ice und im Glas ein paar Spritzer Angostino darüber.

Das Crashed Ice kommt von Dorfkrug gegenüber, eine LKW-Ladung Limetten ist angeliefert, ebenso die Kiste Pisco, dem Destillat aus Trauben (Pisqueras). Ich verschwinde in der Küche auf 1,2 qm. Fotos gibt es keine, ich bin beschäftigt, meine sieben Hände und zwei Füße mit den Abläufen der Zubereitung zu synchronisieren.

Wenige Minuten später tauche ich wieder auf, neuer Rock, Haare etwas zerzaust, in der Küche sieht es aus, als hätte es ein Limetten-Gemetzel gegeben (hat es auch). Manches ist noch optimierbar, es gibt Abzüge in der B-Note, aber der Drink, der 1915 von dem US-Amerikaner Victor Morris in seiner Bar in Lima erfunden wurde, schmeckt köstlich.

Immer mehr Gäste kommen, probieren den Schmuck und trinken den Cocktail. Ich fülle mein Glas nach und stoße mit an auf den Sommer, auf den Abend, auf die Vergangenheit und die Zukunft, dass wir uns haben, dass wir hier sind … an Trinksprüchen hat es mir noch nie gefehlt.

Und so merke ich gar nicht, dass die Türen enger werden, das Haus kleiner und meine Schritte ein wenig ausladender. Der hochprozentige Drink hat es in sich! Deswegen das nächste Mal lieber abwarten, bis alle Gäste anwesend sind, dann ein gemeinsames Cheers und nicht immer wieder neu einschenken, um dem Nächsten zuzuprosten.

Noch ein letztes Mal ein Tost mit Freundin Astrid und dann neigt sich auch dieser frühe Abend dem Ende zu. Ich schlüpfe in die Boots für eine beschwingte Runde mit den Hunden durch die Wiesen, die sich wundersam über dem Watt entlang winden.

„Ich habe die Theorie, dass er aus kleinen Cherubinflügeln, aus der Pracht einer tropischen Morgendämmerung, aus den roten Wolken eines Sonnenunterganges und aus Fragmenten verlorener Epen von vergessenen Dichtern besteht.“

Über den Pisco Sour aus „From Sea to Sea“ (1899) Rudyard Kipling.