Die Flugrouten in Peru habe ich noch nicht ganz verstanden. Wahrscheinlich ist es wie in Frankreich, alles geht über Paris, sprich über Lima. Arequipa – Lima – Juliaca. Auf in die Berge und an den Titicacasee mit einer Höhe von 3.800 bis 4.000 Metern. Am Flughafen holt mich Max ab, der Fahrer, der mich die nächsten drei Tage begleiten wird. Er spricht gut englisch und erzählt während der einen Stunden Autofahrt ein wenig von Puno, auch genannt “Ciudad de Planta”, der Stadt des Silbers am Titicacasee.

Als wir ankommen, ist es schon nachmittags, und er empfielt mir ein wenig Ruhe in dem wunderschönen Hotel mit Blick über den See. Die klare Architektur der sechziger Jahre mit den strengen Proportionen, der sauberen Linienführung schafft den perfekten Rahmen für dieses fantastische Panorama. Auf die Gefahr hin, dass ich das Wort zu oft verwende, hier gehört es auf jeden Fall hin: “magisch”, das Gefühl, über dem Titicacasee zu schweben.

Die Sonne geht unter, als würde sie mir zeigen, worum es im Leben geht: Sich still und demütig dem Spektakel der Natur hingeben und dabei in den fernen Geschichten lauschen. Zu spirituell formuliert? Nun, ich bin in dem Land, in dem alles spirituell ist. Und das passende Buch habe ich ebenfalls zur Hand: Mario Vargas Llosa, “Der Geschichtenerzähler”. Es musste mich finden, aber davon später.

Ich lese, betrachte wieder das Licht- und Wolkenspektal über der Seelandschaft, atme ein wenig schwer und höre in mich hinein. Unwillkürlich kommen mir die Tränen, diese berühmten “Wahrhaftigkeitstränen”, wenn sich etwas zutiefst richtig anfühlt. Um 4:40 Uhr weckt mich die aufgehende Sonne über dem Titicacasee. Sind das nicht die Farben der Alpakas? Frühstück um 5:00 Uhr. Keine Kopfschmerzen! Ich schreibe.

Max holt mich um 7:00 Uhr ab, mit dabei sind Lilliam von Promotion Peru, die alles organisiert hat, und Ronald, der Übersetzer und Führer. Gut, dass er an meiner Seite ist, denn es wird diffizil, wenn es um das gehen soll, was ich suche. Verabredet sind wir in Juli (ausgesprochen “Chuli”), etwa eine Stunde entfernt, dem Sitz der Mujeres Aymaras (der Aymara Women Vereinigung).

Wieder ist es nicht einfach, die Adresse zu finden. Tausendmal wird telefoniert, rechts, links, dann die Straße hoch. Am liebsten würde ich übernehmen mit meiner typischen Ungeduld, über die sich die anderen im Auto amüsieren. Es ist wie es ist. Wir finden uns schon. Da sind sie: Jesusa, die Vorsitzende, Justina, die Sekretärin und dazu gesellt sich noch Bertha, die Vice-Präsidentin. Alle zusammen in der bescheidenen Behausung.

Die Aymara sind eines der ältesten und größten indigenen Volksgruppen im Süden Perus und im Nachbarland Boliven. Ihre Zeitrechnung beginnt 3.507 v.Chr. Mündlich gaben und geben sie ihre Tradition weiter. Sie haben überlebt und sich ihre Identität bewahrt trotz aller Anfeindungen. Ich spüre sofort, hier bin ich richtig.

Jesusa beginnt auf spanisch ausführlich zu erzählen, wer die Aymara Women sind, erklärt ihren Verband von ca. 200 Frauen (die Zahl schwankt) über drei Regionen verteilt und wie sie versuchen, ihr Handwerk zu kommerzialisieren, damit die Frauen ein Einkommen haben für ihre Familien. Langatmig berichtet sie, wie ihnen US-Amerikanerinnen das Häkel, Sticken und Stricken beibrachten. – Wait a minute. Amerikanerinnen ihnen das Sticken, Stricken und Nähen beibringen? Aber das können sie doch schon seit ewigen Zeiten. Das haben ihnen ihre Großmütter und Mütter beigebracht.

Ungeduldig unterbreche ich Ronald in seiner Übersetzung. Ich möchte ihre eigenen Erzeugnisse sehen und nicht, was vielleicht ein internationaler Markt wünscht. Kurze Irritation, dann erwähne ich die Pollera, die weiten Röcken, die alle hier tragen. So einen möchte ich! “In Synthetik?”, werde ich gefragt. „Nein! Nix Synthetik, ich möchte Wolle, Alpaka, Natur!“

Mit meinem Temperament demonstriere gestenreich und energisch meine Wünsche. Gelächter, dann schwirren sie in alle Richtungen und kommen mir ihren handgemachten traditionellen Erzeugnissen wieder … und kleiden mich ein. Die Stimmung ist sofort eine andere, nun wird es endlich lebendig und amüsant.

Darum geht es doch! Identität! Heritage. Das Erbe ihrer Vorfahren. Und siehe da, auf ihren Gesichtern ist das warme Lächeln zu sehen. Wie schön ist das. Die Pollera aus Schafswolle, die will ich kaufen. Schon werde ich vermessen, Nadel und Faden. Pollera customized. Wie ich mich freue, und sie freuen sich mit mir. (Wo immer ich damit später auftauche, wollen sich die Menschen mit mir fotografieren lassen. Ihr werdet sehen.)

Was noch: der Hut, oh nein, so etwas kann ich nicht tragen. Aber die kleinen Püppchen, die Berta gestrickt hat. Die Beutel mit den gestickten Erzählungen von Justina. In meiner Begeisterung müssen wir uns kurz mal in den Arm nehmen.

“Jacketa, Jacketa” höre ich sie rufen. Und schon läuft die Sekretärin los, um mit einer Jacke wiederzukommen. In der Tasche ist noch ein Ohrring von ihr. Wieder Gelächter.

Ja, die muss ich natürlich auch haben, aber da hängen ein paar Fäden und die Knöpfe fehlen auch. Gebeugt verbringen die Frauen die nächste halbe Stunde über den Teilen, um alles sorgfältig zu fixieren. Anschließend wird wieder an mir rumgezerrt. So, nun aber Schluss und raus für ein letztes Foto. Lass uns tanzen, fordere ich sie spontan auf. Ich will sehen, wie sich unsere Röcke drehen. Und so tanzen wir, als wäre es das Natürlichste von der Welt.

Dieses Erlebnis ist jetzt schon ein Highlight meiner Reise. Alle Teile werden als Inspiration oder als Original in die zukünftige Kollektion 2026 einverleibt. Ich sehe Euch schon in diesen traditionellen Röcken kombiniert mit meinen Blusen .… Aber das Beste sind diese drei Aymara Frauen, die mich zum Abschied fest drücken und mir zuraunen: Komm wieder.

Zurück in Puno besuchen wir noch eine weitere Aymara Frauen Werkstatt. Maritzia ist ihre Leiterin. Sie kooperieren mit Kunden in Italien, sind professioneller aufstellt. Dennoch hier wird weiterhin das meiste mit der Hand gefertigt wie der kleine Poncho, den ich entzückend finde.

Wir verabreden ebenso eine Zusammenarbeit und die gleiche Herzlichkeit schlägt mir entgegen. Alle wollen ein Foto, und ich posiere allzu gern mit ihnen, lass mich umarmen und lieb haben.

Was für intensive Eindrücke, auch meine drei Companions sind begeisert und gleichzeitig etwas erledigt, vor allem hungrig. Verschiedene Restaurant-Optionen werden mir vorgeschlagen. Nein, ich möchte Street-Food und erkläre umständlich, was ich auf dem Weg gesehen habe. Ah, Chicharrón, Schweinefleisch mit Kartoffeln. Aber ob mein Magen da mitmacht? Ich nicke, habe einen Beton-Magen. Es schmeckt köstlich. Wäre jetzt Roma hier, sie würde schmunzeln: Somebody feed (Phil) Bridget.

Mit meinen Schätzen lande ich wieder im Hotel und verlasse mein Zimmer nicht mehr. Beseelt und zufrieden holt mich der Schlaf. Morgen geht es zu den schwimmenden Insel im Titicacasee.

… Und dann werde ich alles anziehen und die Puffarmbluse dazu …, so ähnlich müssen meine letzten Gedanken gewesen sein. (Stellt Euch nur vor, ich hätte die Delfter Bluse bei mir. Das wäre der absolute Hit in dieser Kombi.)