Ich wusste gar nicht, dass man Farbe so sehr vermissen kann! Die Sonne scheint, allein das Wort ist für uns Norddeutschen fremd geworden, hat uns die letzten Tage und Wochen doch eine schlamm-braun-graue Regentristess eingehüllt. Toska und ich flanieren durch das Marais in Paris, ziellos, einfach nur entdecken, was „Bunt“ für eine Vielfalt besitzt.

Man müsste mich an die Hand nehmen, damit ich nicht stolpere, andere Leute anrempele oder gegen Pfeiler und Mauern stoße, ständig bin ich abgelenkt, alles wird gerade zur Inspiration.

Am liebsten würde ich mich sofort umziehen, in den blauen Blazer schlüpfen, die Bluse von Ernst Haeckel, den roten Pullover von Gucci. Was weiß ich, grell sollte es sein, damit es mit diesem Sinnesspektakel mithalten kann.

Farbe überall, leuchtend und konkret, sogar das Absperrungshütchen mit weiß-orange nehme ich wahr, zusammen mit der gelben Linie auf dem Asphalt, dabei sollte ich mehr achtgeben auf den Verkehr. Ein Foto.

Ob mich diese Sinneseindrücke für die Auswahl der Stoffe auf der Messe beeinflussen werden? Die Impulse kommen aus dem Alltag und von der Straße, soviel hat Corona verändert. Wir sind sensibler geworden für das, was wir um uns herum sehen.

Toska in ihrem roten Rock von Courrèges, der Waterscape Bluse, einem hellgelben Pullover und der lilanen Vintage-Jacke von Yves Saint Laurent, dazu die alte Tür mit Blautönen, wieder ein Foto. Ich scanne für meine Erinnerungsspur.

Mittagszeit, wir haben uns Sandwiche gekauft und sitzen um die Ecke vom Bataclan, dem Veranstaltungsort, wo 2015 die Anschläge verübt wurden, im Hintergrund die Brücke, von der Amelie Poulain in ihrer „Wunderbaren Welt“ die Steinchen ins Wasser warf. Es ist friedlich, die Sonne wärmt und es fühlt sich nach Frühling an.

Was für eine zauberhafte Stadt. Nur hier konnten die Künstler des Impressionismus das Licht entdecken, das sie für ihre neue Kunst brauchten. Mein Fashion-Frühling wird bunt und erzählerisch, soviel steht fest.

Selbst der Weg zum Klo ist gespickt mit Farbe. Wir sind für einen Espresso im Café Le Pick-Clops, fünfziger Jahre pur, 16 Rue Vieille du Temple im Marais. Mosaike an den Wänden drinnen und draußen, gegenüber auf der anderen Seite der kleinen Gasse. Ich sauge jedes Detail auf.

Hatte ich schon gesagt, dass ich Rot liebe? Nein, nun, dann wisst Ihr es jetzt. Dieses Rot, das so viele Nuancen besitzt, das sich zwischen den Häusern versteckt und plötzlich laut und fröhlich ruft: Hier! Hier bin ich, um mitzuspielen. Bin so gespannt, welches Rot mich auf der Premier Vision locken wird.

Und da ist es schon, das Rot und das Bunt des Centre Pompidou, dieses gewaltigen Bauwerkes der Architekten Renzo Piano, Richard Rogers und Gianfranco Franchini, 1977 eröffnet. Ab 2023 schließt es für fünf Jahre, um restauriert zu werden. Wir schauen uns die Ausstellung Yves Saint Laurent in den Museen an, aber davon später … Nun sucht erst einmal in Euren Kleiderschränken nach Farbe, um dem ausgehenden Wintergrau zu trotzen.