Heute jährt sich der Corona Lockdown. Am 22. März 2020 schlossen ein Großteil der Geschäfte in Deutschland, Menschen durften sich gar nicht oder nur in kleinen Gruppen sehen, reisen war unmöglich. Fünf Jahre, eine lange kurze Zeit. Ähnlich wie damals hing ein Hochdruck-Gebiet über Deutschland und bescherte uns eisig tröstenden Sonnenschein. Die Welt ist seitdem eine andere, ob wir wollen oder nicht.

Heute Morgen lese ich in dem Business of Fashion (BoF) das Zitat der indischen Schriftstellerin und Brooker-Price Preisträgerin Arundhati Roy aus der damaligen Financial Times:

“Historically, pandemics have forced humans to break with the past and imagine their world anew. This one is no different. It is a portal, a gateway between one world and the next. We can choose to walk through it, dragging the carcasses of our prejudice and hatred, our avarice, our data banks and dead ideas, our dead rivers and smoky skies behind us. Or we can walk through lightly, with little luggage, ready to imagine another world. And ready to fight for it.”

Secondhand Comme des Garçons Tüll-Bluse (€ 280)

Ich habe mich entschieden mit leichtem Gepäck mir eine neue Welt vorzustellen. Loslassen und neu denken. Mein schönes Geschäft in der Milchstrasse 11 in Hamburg-Pöseldorf musste gehen, die Wohnung an der Alster, die Produktion von umfangreichen Kollektionen … und vieles mehr.

Elke Martensen Couture, Strohhut mit Bastbändern (€ 575)

Seitdem prüfe ich ständig, wie ich mein Handeln und Tun der sich ständig verändernden Welt anpassen kann, wie mich in den Kreislauf der Natur einfinden und ihn nachahmen: Nur soviel nehmen, wie wir brauchen, und verwerten, was seinen Nutzen verloren hat. Weniger produzieren, dafür mehr an menschlicher Wärme und geistigen Inhalten liefern.

Secondhand Prada Wolljacke, Wolle-Cashmere (€ 450)

Gestern saß ein Kundin und Bekannte bei mir im Kapitänshaus. Sie kam durch die Tür, wählte schnurstracks den nächstbesten Platz auf dem roten Sofa. Die Beine sorgfältig nebeneinander, den Körper aufrecht, beiger Pullover, Jeanshose. Alles scheint einer unbewussten Kontrolle zu unterliegen. Bloß nicht neugierig die Augen schweifen lassen, kein Ankommen in einer Terra incognita.

Wie es mir denn ginge, fragte sie mit ihren blauen Augen und dem fürsorglich-besorgten Lächeln der Stationsschwester. Was sie meine? Gesundheit, Umsätze, Mode im Allgemeinen, Roma e Toska im Besonderen? – Schwierig und gleichzeitig ambitioniert. Ich habe zwei Geschäfte, Verantwortung für Mitarbeiterinnen, eine Familie zu versorgen, Dinge treiben mich ständig um. Wir radikal kann ich sein, wieviel Mut erfordert das Umdenken?

Dann folgt ihrerseits ein Schwall von Empfehlungen, hinter denen sich verbirgt, was noch vor 2020 die wichtigste Directive war: Verkaufen, Umsatz steigern, Gewinne optimieren, Partnerschaften eingehen, um noch mehr zu verkaufen. Erfolge, die sich in Zahlen messen lassen.

Alles in mir will aufbegehren. Nein! Nicht wieder zurückkehren. Der Weg war falsch, die Märkte überhitzt, das Wort „nachhaltig“ besaß keinen Platz. Mode war und ist immer noch einer der größten Umweltsünder. Wir haben doch nicht in endlosen Spaziergängen während Corona alles zerlegt, um es schlecht wieder zusammenzubauen. Ich betrachte mein Gegenüber. Ob sie wohl glücklich ist? Sie wirkt plötzlich verdächtig dünnhäutig und hilflos.

Mein Weg ist ein anderer. Ich werde meine Kollektion weiter verkleinern, noch individueller machen, noch enger mit meinen Gedanken verweben, so dass sie uns wieder etwas angeht, Ausdruck von Persönlichkeit ist. Vintage und Secondhand sind nachhaltige Statements, die sich dazu addieren. Platz schaffen für kreatives Handwerk.

Ich liefere Inhalte, schreibe und führe einen Salon. All das zusammen mit Euch an meiner Seite, ist die große Chance, die berauschende Herausforderung, die neue Zeit. Ich möchte wachrütteln für das, was wertvoller ist als Konsum. Die hübsche Frau vor mir wird nicht dabei sein, ich sehe es ihr an.

Eilig steht sie auf, das Helle in ihrem Gesicht wirkt blass, ihr Blick unruhig. Sie hätte ja nur fragen wollen, wie es mir geht. – Gut geht es mir, denn ich bin im heftigen Strudel des Wandels, mit dem Hut obendrauf, weil es mir so gefällt. Selten habe ich mich so lebendig gefüllt, wie in diesen fünf Jahren. Mode hat ihren Platz für ein leichtes Gepäck, als Ausdruck meiner Selbst!

Alles wird gut, aber anders!