Es gibt Situationen, die verlagen nach einem Machtwort oder dem berühmten „Wort zum Sonntag“. Gestern war es so weit: Zwei Frau mittleren Alters besuchten mein Geschäft in Kampen. Die eine trug kurze braune Hose und weißen Pullover, wir nennen sie „die Freundin“. An die andere kann ich mich nicht mehr genau erinnern, irgendwie „unsichtbar“ mit grauen Haaren, sympathisch-scheu, sportliche Figur. Sie ist die „Kundin“ in der Geschichte, die nun folgen soll.
Gerne würde sie den Rock mit den doppelreihigen Knöpfen probieren. Es ist die Größe M, € 498, nun ein Schnäppchen zu € 100. Schon verschwindet sie mit dem Teil in der Kabine, während die Freundin durch den Laden schlendert.
Kurz darauf öffnet sich der Vorhang. Here she comes: die Kundin in dem Rock, der perfekt wie maßgeschneidert sitzt. Ich bin begeistert und verteufle mich insgeheim für diesen Dumping-Preis.
Ungläubig und ein wenig ängstlich dreht sie sich vor dem Spiegel. Kann es sein, dass sie wirklich so gut aussieht? Sofort streut die Freundin ihre Zweifeln in das zart-fragile Empfinden. Lässt sich damit überhaupt sitzen, will sie skeptisch wissen. Die Kundin macht auf Geheiß eine Sitzprobe, es geht. Welch Wunder!
Aber Fahrradfahren? Das ginge bestimmt nicht. Ich protestiere, und biete eine Runde auf meine Rad an. Ein Rock für Luftsprünge, Spagat, Wanderungen, Sex, Love and Rock’n Roll, beschreibe ich den zeitlosen Entwurf fachkundig unterkühlt.
Nun sind die Damen gänzlich verunsichert und die Freundin holt zum finalen Schlag aus: „Du siehst darin irgendwie zu hübsch aus“, sagt sie. Erschrocken huscht die andere in der Kabine zurück und drückt mir anschließend den Rock mit einem entschuldigenden Lächeln in die Hand. Bloß nicht zu gut aussehen. Gefährlich!
Da konnte ich nicht anders, ich musste einfach das „Wort zum Sonntag“ loswerden:
Warum gibt es uns Designer*innen? – Weil wir die Welt ein wenig schöner machen möchten, weil wir für Vielfalt stehen und für Individualität. Unsere Gesellschaft krankt an der Uniformität. Die Art wie wir uns kleiden, verrät mehr als uns lieb ist. Sie ist Ausdruck, wie wir gesehen oder nicht gesehen werden wollen …
In diesem Stil geht es die nächsten drei Minuten weiter: „Möchten Sie nicht, dass man sich an Sie erinnert?“ Dabei schaue ich ihnen direkt ins Gesicht. … – Ich packe alles in diesen Vortrag, unsere gedanklichen Pluralismus, die Fantasie, die Freude am Experiment mit sich und dass es auf keinen Fall sein darf, dass man zu hübsch aussieht. Das ist ein Vergehen an sich selbst! Meine Stimme bleibt erstaunlich ruhig, aber sie getragen von einer Passion.
Harter Tobak so aus dem Nichts. Fluchtartig verlassen Kundin und Freundin das Geschäft, um darauf erst einmal einen Kaffee zu trinken. Ich denke, ich werde sie nicht wiedersehen. Aber Ihr habt die Chance auf so ein hübschmachendes Schnäppchen (gibt es noch 1 x S, 1 x M und 3 x XS für sagenhafte € 100 + 7 Versand).
-
FIFTIES BLÜTEN TÜTÜ, MULTI
€698,00 inkl. Mwst. -
KIMONO KURZARM BLUSE, WEISS
€398,00 inkl. Mwst.