Paris – Sylt, meine neue Bahn-Rennstrecke, die bei fast jedem Schaffner eine erstaunte Reaktion hervorrief. „Das ist aber weit“, meinte die eine, da war ich ungefähr auf der Höhe von Frankfurt. Am besten jedoch der Kommentar des Kontrolleurs in der Nord-Ostseebahn: „Tja, von Hauptstadt zu Hauptstadt“ (er meinte Westerland). Wir mussten beide lachen.
Ich liebe die Fahrt mit dem Zug, dann kann ich mich erinnern, wie alles war, die kleinen Begebenheiten, der Kaffee an der Ecke, die Kühle des Morgens auf der Haut, meine Gedanken zu den kommenden Kollektionen …
…das Gespräch über Christo abends bei Julien mit Toska und Hannes, oder der dicke Klecks selbstgestampften Kartoffelpüree auf dem Teller in dem letzten originären Bistro in Saint-Germain (Tipp vom Bouquinisten-Freund).
Aufstehen um 5.30 Uhr, 7:08 Uhr Abfahrt Gare de l’Est, Paris. Der Zug ist voll, ich folge trotzdem routiniert meinem Ritual: handgestrickte Socken, Cashmere Plaid, Café Crème, Croissant. Den Beitrag über Christo für den Blog formuliere ich im Handy, komme nicht mit dem Computer ins Internet.
Gute drei Stunden später sitze ich in Karlsruhe vor dem Bahnhof auf einer Bank in der Sonne. Es ist kurz nach 10.00 Uhr, fünfzig Minuten Aufenthalt bis es weitergeht nach Hamburg. Meine Gedanken kreisen diffus um alles und nichts.
Der letzten Abend an der Seine, dieses Licht, diese unbeschwerte Freude. Wir essen schon wieder, obwohl wir keinen Hunger haben, es ist einfach zu schön, so zusammen zu sitzen. Davor der Besuch der Sammlung von Pinault (werde morgen berichten) … Die Bank, die Sonne, der Bahnhof, was für eine herrlich vertäumte Auszeit.
Weiter geht es, ich arbeite und ab und an geht mein Blick gedankenverloren zu der vorüberfliegenden Landschaft. Kassel-Wilhelmshöhe. Wir haben 30 min. Verspätung. Macht nichts, dann schaffe ich es noch die Rede von einem Freund zu redigieren. Der Newsletter mit der Einladung zu „Beuys und seine Weste“ ist raus. (Dienstag, den 28.9.2021). Ich denke an meinen Style-Check in der Avenue Montaigne, Christian Dior, Celine, Chanel … Wieder eine andere Welt.
Oben: das Stammhaus von Christian Dior. Unten: Mix Roma e Toska mit Jeans von Celine.
Hannover, vorbei die warmen Sonnenstrahlen, willkommen im Herbst mit grauer Wolkensuppe und Wind. Per Zufall erfahre ich, dass alle Züge nach Sylt ausfallen. Irgendwo eine Störung. Die Schaffnerin entdeckt, dass es über Hamburg-Hauptbahnhof – Elmshorn – Westerland funktioniert. Socken aus, Stiefel an und mein verströmtes Sammelsurium-Ich einsammeln.
Ich hetzte von Gleis 12 zu Gleis 7, sieht es hier am Hauptbahnhof abgeranzt aus, es stinkt. – Das Schaufenster von Chanel, ebenfalls in der Avenue Montaigne gleich hinter dem Grand Palais. Winterlandschaft, Ski-Urlaub, Aspen oder Kitzbühel. Der Klimawandel findet hier nicht statt. Innerlich bin ich entsetzt, Mode steht für mich für etwas anderes.
In Elmshorn gießt es in Strömen, wir drängen uns alle unter einen klapprigen Unterstand. Corona-Abstand nicht möglich, Hauptsache nicht durchnässen. Und da ist er schon, der ersehnte Zug für den letzten Abschnitt der langen Reise: Paris – Sylt. Die Sonne kommt wieder durch, wie ich das Grün liebe, das man so intensiv genießt mit Paris im Kopf.
Liebe Birgit, Du schreibst so wunderbar…
Irene