Die neue Kollektion für dem Herbst-Winter 2022/23 besitzt viele Anfänge und mindestens genauso viele lose Enden. Die Stoffmesse im Februar in Paris war von ihrer Aussage diffus. Wichtigstes Merkmal: eine allgegenwärtige Unsicherheit und Ungewissheit, was die Zukunft bringt. Ich entschied mich mit Toska für die Muscheln aus dem graphischen Werk von Alexander von Humboldt (1769 – 1859), ohne genau zu wissen warum, nur intuitiv, das es richtig ist, irgendwie „wegweisend“, wie es vor mir auf der Fensterbank steht.

So kreiste ich all die Monate um den großen Vordenker, der die Welt als ein Netz von Beziehungen sah, der ihre Fragilität erkannte und als einer der ersten global dachte. Heute wäre Alexander von Humboldt ein unermüdlicher Networker gegen den Klimawandel, für die Menschenrechte, vor allem der indigenen Völker, sowie ein wichtiger Vertreter des systemisches Denkens. Sein Satz: „Natur muss gefühlt werden“, beschreibt das Wesen meiner neuen Kollektion.

Wer den Sand unter den nackten Füßen spürt oder die Muscheln in der Hand, den Wind, wie er über die Haut streicht, der ist verbunden mit sich selbst und mit seiner Umwelt, der übernimmt Verantwortung. So einfach diese Formel, so schwierig für viele, sie in den Alltag zu integrieren. Unsere virtuelle Realität schiebt sich mehr und mehr zwischen unser echtes sinnliches Erleben. Wir verarmen emotional und vereinzeln gesellschaftlich.

Meine Haut mit Sommersprossen und nassen Haaren heute am Strand.

Was wird nun Trend 2022/23? Die Archäologie, die Ur-und Frühgeschichte, die Pigmente, die Farbe der Haut, die Flechten auf den Steinen … die Muscheln als Formen von Ursprünglichkeit … All das wird zur Inspiration gegen den Wettlauf mit der Zeit in einer ungewissen Zukunft.

Mein Bleistift fliegt über die Seiten, ich notiere und notiere, als hätte sich eine Tür nach der anderen geöffnet, als hätte ich noch diesen Sommer gebraucht, um den Winter zu verstehen mit dem, was kommen wird, was wir uns wieder aneignen müssen, um nicht verloren zu gehen in dieser zerrissenen Welt. Entdecken wir die Langsamkeit wieder für uns und adeln damit das, was wir kreieren und produzieren.

Wie Ihr merkt, geht es weit über das hinaus, was als Mode langläufig verstanden wird. Wie so oft schlendere ich in die Nachbargebiete von Kunsthandwerk und Design, Keramik, Stickereien, Gravuren, bis hin zu den beobachtenden Wanderungen zu Fuß … Ja, am liebsten würde ich noch das Buchlesen und das Briefeschreiben addieren wollen.

Vasen Karl Gramann, Keramik 1950er Jahre

Wie aufregend ist das! Ich spüre förmlich, wie nah ich an den Puls dessen komme, was uns antreibt und ausmacht. Es fühlt sich lebendig an, als Teil von etwas Großem. … Bin so gespannt auf den Herbst-Winter und das Frühjahr darauf mit einer Kollektion und kleinen Editionen, verschiedenen Kooperationen, Ausstellungen und Vorträgen.