Am besten haben wir das Lied schon auf den Lippen, bevor wir die schönen Sachen anziehen, den Mantel von Valentino, den ich mir eng um die Taille schnüre, wohl genährt mit Schokohasen, Nudeln, Baguette mit Käse. Dazu die noch nie benutzten Stiefeletten von Gucci. Ich schlüpfe hinein, an der Seite praktischer Weise ein Reißverschluss. Und schon ist es fast komplett, das Outfit aus dem Kleiderschrank der Freundin.

Red Valentino Pleated Coat in marine (€1.400)

Keiner achtet mehr auf meine Strumpfhose, die schon ein paar dünne Stellen besitzt. Um den Hals noch den kleinen Delfter Kachel Schal oder die große Stola. Über dem kurzem Rock die neue Seidenbluse.

Und dann wandere ich von links nach rechts vor dem Tor, das geheimnisvoll den Blick versperrt auf die erste Reformsynagoge der Welt, den Tempel von 1844. Kaum jemand weiß, dass dort oben mein Bett steht und ein Kofferschrank mit ein paar wenigen Dingen, die mir lieb sind. Wenn ich einmal reich wär …

Was heißt das schon, reich sein? Toska erzählte mir gerade von ihrer Zweckgemeinschaft mit einem Clochard in Paris. Hat der eine nichts zu essen, besorgt es der andere. Diesmal nutzte der Typ unter der Brücke an der Seine sein Netzwerk um Toska zu versorgen, die ihr letztes Geld auf dem Flohmarkt ausgegeben hatte. Tja, wenn sie einmal reich wär…

Manchmal liege ich oben in der Halbruine, die Kerzen sind fast runtergebrannt, und die Heizung will nicht angehen. Christiane hat mir zum Glück eine Wärmflasche geschenkt, die mich kuschelig warm und behütet hält. Ich bin die Lebens-Poetin.

Gucci Queercore Ankle Boots, schwarz, Gr 38 1/2, fallen etwas größer aus, NP 1600 € (€ 890)

Aber, wenn ich einmal reich wär, dann würde ich mir so einen schönen Mantel leisten, der bei jeder Bewegung schwingt, in dem meine Hände tief versinken. Den Kragen hochgeschlagen erzählt er Geschichten von früher, von Paris – Berlin – Moskau. Er erinnert mich aus irgendeinem Grund an die Nostalgie einer Zeit, als alles im Umbruch war, arm und reich, mondän und bohème.

Als Kinder haben meine Schwester und ich das Lied von Iwan Rebroff im Badezimmer gesungen, im Zahnputzbecher das Wasser, wir stießen an bis es hoch über den Rand schwappte, und den Text brüllten wir übermütig Richtung Spiegel.

Nun singt! Dreht Euch schnell und immer schneller, nehmt ein Glas und stoßt mit an. Bin ich arm, bin ich reich? Egal! Heute ist Montag und Vollmond dazu, das reicht.