Es war schon spät, als ich gestern Abend in den Zug nach Sylt sprang. Feucht, neblig, kalt, ein Januar, der unter die Jacke dringt und einen frösteln lässt. Ein halbleerer Koffer, ein Rucksack mit Skizzenbuch und ein wenig Lektüre. Florian Illies „Über Gottfried Benn“, ein schmales Büchlein, das unter dem Weihnachtsbaum lag.

Die erste Stunde verbringe ich dösend, Elmshorn, Glückstadt, Itzehoe … – Dann greife ich mir „Big Benn“ und meinen Bleistift, den ich immer bei solchen Texten zur Hand habe. Schon auf der ersten Seite fesselt mich ein Wort, das ich umkringele: „rauschbereit“. Illies Einleitung ist emotional und gewaltig geschrieben. Nur wenige Sätze, aber in ihnen erkennt man sein ganzes Ringen um diesen großen, schwierigen deutschen Lyriker.

„Je länger ich Gottfried Benn liebe, desto weniger verstehe ich meine Liebe. Doch mit jedem neuen Nichtverstehen liebe ich ihn noch ein kleines bisschen mehr.“ Das sind die ersten Zeilen, mit denen man das Buch gleich zur Seite legen möchte, um stundenlang darüber nachzudenken, während die Landschaft im Dunkeln unsichtbar vorbeifließt.

Unmerklich zieht mich der Autor fortwährend an seine Seite, um mit mir seine Reflexionen, seine Begeisterung und seinen Widerstand zu teilen. Keine Ahnung, ob es die eigene Müdigkeit ist, versunken in meine Wolldecke gekuschelt. Auf jeden Fall ergreift es mich, wie Illies ein grundsätzliches Thema entfaltet: Werk und Künstler sind voneinander zu trennen. „Wir denken etwas anderes, als wir sind“, schrieb Gottfried Benn.

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Ein „homme à femme“, ein Verführer und Verführter, der in den ersten Monaten der Machtergreifung flammend für den Nationalsozialismus eintrat. Gottfried Benn, der Mensch, der Nähe nur aus der Distanz leben konnte. Aber am Ende müdet alles in Poesie und wird groß.

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Ich muss an Picasso denken, auch für ihn besaßen die Frauen und Freunde eine Funktion, wurden benutzt, um in sein Werk einzugehen. Wir können es bewerten, verurteilen oder ignorieren, es bleibt wie es ist. Und wieder einmal erinnert es mich an Roland Barthes Essay über Cy Twombly: Der Künstler verliert sich hinter dem Werk, das erst bedeutend wird, wenn es ohne den Menschen dahinter auskommt.

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„Auf deine Lider senk ich Schlummer, / auf deine Lippen send ich Kuß, / indessen ich die Nacht, den Kummer, / den Traum alleine tragen muß.“

Welche Liebende würde dieser Satz nicht zart berühren. Mittlerweile stehe ich am Busbahnhof von Westerland, noch mehr feuchte Kälte, die als winzige Partikel um die Straßenlaterne tanzen. Kurz vor 23:00 Uhr. Es ist kalt, ich hätte ein Taxi nehmen sollen. Aber nein, ich genieße es sogar mit dem Buch in der Hand frierend hier zu stehen, um auf die Linie 1 zu warten.

Eine wunderbare Lektüre. Es ist nächster Morgen. Und nun geh ich an den Strand und mache Fotos von ein paar One-zies!