Alles ist vorbereitet: das Kapitänshaus geputzt, die Stühle gerückt, die Blätterteig Kringelies kommen durftend aus dem Ofen, im Champagner-Kühler liegen die Getränke, ein warmer früher Abend in Kampen auf Sylt. Gabriele Pochhammer und ich erwarten unseren ersten Talkgast, den Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Fissenewert, der seine Frau, die Moderatorin Ulla Kock am Brink, gleich mitgebracht hat. Wie schön, wir schütteln uns die Hand, er wäre “Peter” und das ist “Ulla”, schon sind wir vertraut beim Du, als würden wir uns kennen.

Worum geht es? Es ist Gabrieles Abend, ich unterstütze sie dabei. Der IT’S A DIENSTAG ist unser Modell, nur die Inhalte folgen einem anderen Thema: Wie sieht das Leben mit 50+ aus? Was wollen wir noch wagen oder haben wir schon gewagt? Liebe, ein Arrangement, noch mal alles riskieren? Wie findet man den richtigen Partner und Verbündeten für ein re-set?

Läuft es mittlerweile nur noch online über die üblichen Dating-Plattformen, gibt es Algorithmen, wer zu wem passt, oder funktioniert es weiterhin auf altmodische Weise, indem man sich über den Weg läuft, von Freunden verkuppelt wird oder mit Hilfe von Agenturen wie Hammer&Herz den oder die Richtige findet? Die Moderation obliegt mir, ich taste mich heran.

Peter Fissenewert ist der gleiche Jahrgang wie ich, 1961 geboren, Metall-Büffel nach dem chinesischen Horoskop, die Beharrlichen. “Ich gebe nie auf”, sagt er mir mit einem Seitenblick. Ich nicke und grinse, geht mir genauso.

Er studierte Jura in Göttingen, promovierte in Steuerrecht an der Humboldt Universität in Berlin. Kurz plaudern wir über diese Stadt im Umbruch 1989. Er ging in die Politik, heiratete, zwei Kinder, die mittlerweile so alt sind wie die meinen, und beschreibt sich als ruhelos, immer unterwegs. Typischen für einen ehrgeizigen Lebenslauf. Die Ehe scheiterte nach 22 Jahren, seit 2013 ist er mit Ulla Kock am Brink zusammen, seit 2019 sind sie verheiratet.

“Wir haben langsam Vertrauen aufgebaut”, beschreibt er die Anfänge. Und seine Frau stimmt zu und ergänzt, dass er der Mutigere gewesen wäre, der sie überzeugte, dass es miteinander funktionieren könnte. Ein Neuanfang, das Leben ist zu lang, um im falschen auszuharren.

Gabriele spricht von ihrer Begeisterung, Menschen zusammenzubringen, ihrem Instinkt zu folgen, wer der Passende sein kann. Sie erzählt von ihrer Zeit im afrikanischen Busch, als sie vorgeschickt wurde, die ankommenden TouristInnen willkommen zu heißen. Ihr berufliches Leben drehte sich immer um Kommunikation. Zu zweit ist es schöner als allein, so ihre feste Überzeugung.

Ich erinnere Gespräche am Strand mit meiner Freundin Madame La Petite, die zwischen uns sitzt und lauscht. Man muss auch für sich sein können, seine Wege verfolgen, die außerhalb einer Beziehung entlang führen. Mein Großvater hat es mir eingebläut, bei ihr hat es sich so ergeben. Denken da Männer anders als Frauen?

Peter Fissenewert wollte sich allein einrichten, mit kleiner Küche für den Single Mann, der nicht kochen kann … Bis dann Ulla auftauchte, Glück gehabt, analog getroffen. Nun genießen sie es gemeinsam auf 90 Sylt-Quadratmetern.

Sein Vorwurf an die Männer, sie würden sich nicht trauen, die tollen Frauen zu wählen, die starken und besonderen. Diesmal ist es Gabriele, die ihm lebhaft beipflichtet. Die meisten bleiben bei dem bewährten Beuteschema, mit dem sie nicht glücklich geworden sind. Und die deutlich Jüngeren sind auch keine Lösung. Es passt oft nicht, zu groß die Unterschiede, zu verschieden die Ansprüche.

Ein Patentrezept gibt es nicht, umso wichtiger ist ein gesundes Selbstwertgefühl (besonders bei den Frauen) und eine schlichte Ehrlichkeit, wenn es um Beziehungen gibt. Ich danke beiden für ihre Offenheit. Es ist ein schöner Auftakt in unsere neue Talkreihe.

Die einen brechen auf zu ihren Abendverabredungen, die anderen bleiben, unterhalten sich noch lange angeregt. Worüber? Kann jeder mal raten. Leben und Liebe analog.

Fotos Alessa Pärn.

Heute morgen diskutieren wir weiter am Strand, zu dritt, eine ledig, eine frisch getrennt und ich in meiner eigenen Unabhängigkeit. Dreißig Jahre liegen noch vor uns, wenn es gut geht. Das ist eine Menge Leben, wenn wir an die letzten dreißig Jahre zurückdenken. Reich und wertvoll waren sie, haben uns geprägt. Wir sollten mit den nächsten nicht fahrlässig umgehen.