Am vergangenen Freitag starb die US-amerikanische Stilikone Iris Apfel im Alter von 102 Jahren. „Da muss ich doch gleich an Dich denken…“, schrieb mir eine Freundin. Danke, Iris und mich trennen allerdings 40 Jahre und noch so einiges mehr. Als sie so alt war wie ich, führte sie erfolgreich mit ihrem Mann Carl ein Textilbusiness, richtete Möbel und Räume im White House ein, aber Model war sie noch lange nicht. Dieser Abschnitt ihrer Karriere als Covergirl begann erst mit 90 Jahren. Ich hab also noch Zeit.

„Mehr ist mehr und weniger ist langweilig.“

Was für ein wunderbarer Satz von ihr. Ich fühle mich erinnert an zahlreiche Fotoshootings mit meiner Tochter Roma, die wir überschrieben mit „too much is not enough“.

Diverse Vintage Ketten Yves Saint Laurent. Sold out!

Diese Freude am Überschwang ist nicht zu verwechseln mit „Überdruss“ oder entleertem Konsum-„Überfluss“. Es ist kein Plagiat von sich selbst, wie so viele Influencerinnen. Die Selbstinszenierung einer Iris Apfel beginnt beim Stöbern auf Flohmärkten, in Secondhand-Boutiquen und Trödelläden. Wo versteckt sich das Besondere, bunt und groß, das vor allem in der Addition zum Statement wird? Es ist ein exzentrisches Sammeln, das sich zu einer „Montage“ fügt und in einem strahlenden mitreißenden Auftritt gipfelt.

Atmosphärische Fotos am Strand von Madame la Petite.

Das Netz ist voll mit Nachrufen auf Iris Apfel, ein Grund für mich, eine andere Überschrift zu wählen. Vielen um mich herum fehlt der Mut, mit dem eigenen Look zu experimentieren, high und low miteinander zu kombinieren, auch mal komplett neben der Spur zu sein. Warum nur eine Kette, wenn man gleiche viele umhängen kann?! Das „Too Much“ ist genauso befreiend wie das „Less is More“.

Vintage Yves Saint Laurent, Schmuck von der La Réunion, € 120 – € 1.200

Das Leben ist zu schön, zu aufregend, zu sehr ein Geschenk, um sich unbemerkt durchzumogeln. Was im Äußeren beginnt, setzt sich im Inneren fort: Ich habe keine Angst, mich zu exponieren! Der nächste Schritt, engagiert das Wort zu ergreifen, ist dann nur noch ein kleiner.

Warum nicht mal ein Over-the-Top wagen? Auszuprobieren, wie viele Farben schrill zusammengehen. Die Verwunderung der anderen genießen, ihr irritiertes Lächeln auffangen und selbstbewusst zurückgeben. Muss ja nicht jeden Tag sein, aber ab und an und immer öfter.

Armbänder von der Réunion, € 120 – 250

Nicht alle haben ein Händchen für Stil, aber das kann man lernen. Ich galt auch mal als schlechtangezogenstes Mädchen mit unmöglichen Kratz-Pullovern und von der Mutter genähten Jeans-Hosen (peinlich). Später trug ich meine getackerten Fellkleider, Highheels und aufgetürmerte Frisur. Ein unmöglicher Mix aus Flintstones und Amie Winehouse. Ein weiter Weg bis zu heute, aber ich habe ihn genossen.

Ich bin nicht Iris Apfel, und wie sie sich inszenierte, ist auch nicht meins, aber trotzdem ist sie ein Vorbild, dass wir mit 50+ keine Tarnkappe aufsetzen müssen. Eifern wir ihr doch nach, diesem „ältesten lebenden Teenager der Welt“, wie sie sich selbst nannte.

Lange Kette aus Nigeria (€ 450)

Fashion-pubertieren kann ich auch, mit größter Freude. Ich empfinde es nicht als anbiedernd jung, es negiert nicht meine Ernsthaftigkeit und meine nachdenklichen Seiten, aber es ist eine Facette von mir, die gelebt werden will.

Wer mag es nicht spüren, Hand aufs Herz, diese Freiheit, eine unangepasste Variante von sich selbst zu sein. Probiert es doch mal aus und nicht nur zum Fashing und zu Rosenmontag.