Es ist kalt, es ist grau. Der Blick von meinem Schreibtisch in der Poolstrasse nach gegenüber, der mir sonst immer so viel Freude gemacht hat, ist heute getrübt durch ein farbloses Schmuddelwetter. Die Tür bleibt geschlossen und mit ihr das Leben und die Geräusche davor. Zum Glück gibt es die beiden Hunde auf „Großstadt-Besuch“, und mit ihnen streife ich durchs eisig-ungemütlich Planten un Blomen. Der Klang des Namens weckt Kindheitserinnerung.

Stiefel Taglis Scarpe in grün und in grau (€ 570).

Viele ist aber auch dort nicht mit mir anzufangen, ich bin einfallslos, worüber nachdenken, worüber schreiben? Lieber schnell wieder zurück ins Warme, nur noch ein paar Fotos mit plattgedrücktem Laub auf den Wegen und bunten Blättern verhakt in den Büschen.

Weil ich heute die Worte tief unter meiner Winterjacke verstaut habe, lasse ich andere sprechen: Erich Kästner. Herbst auf ganzer Linie (1931), vorgelesen von Fritz Stavenhagen. – Sehen wir uns heute zum IT’S A DIENSTAG mit warmen Maisblätter-Lichtern? Dann schlüpfe ich in den Rock und in die Bluse, von der ich morgen schreibe.

Musik von Herb Weidner. Am Klavier: Herb Weidner. Gemälde Lesser Ury „Der Potsdamer Platz in Berlin“.

Erich Kästner: Herbst auf ganzer Linie.

Nun gibt der Herbst dem Wind die Sporen.
Die bunten Laubgardinen wehn.
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn.

Das Jahr vergeht in Monatsraten.
Es ist schon wieder fast vorbei.
Und was man tut, sind selten Taten.
Das, was man tut, ist Tuerei.

Es ist, als ob die Sonne scheine,
Sie lässt uns kalt. Sie scheint zum Schein.
Man nimmt den Magen an die Leine.
Er knurrt und will gefüttert sein.

Das Laub verschießt, wird immer gelber,
Nimmt Abschied vom Geäst und sinkt.
Die Erde dreht sich um sich selber.
Man merkt es deutlich, wenn man trinkt.

Wird man denn wirklich nur geboren,
Um, wie die Jahre, zu vergehn?
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn.

Die Stunden machen ihre Runde.
Wir folgen ihnen Schritt für Schritt
Und gehen langsam vor die Hunde.
Man führt uns hin! Wir laufen mit.

Man grüßt die Welt mit kalten Mienen.
Das Lächeln ist nicht ernst gemeint.
Es wehen bunte Laubgardinen.
Nun regnet’s gar. Der Himmel weint.

Man ist allein und wird es bleiben.
Ruth ist verreist, und der Verkehr
Beschränkt sich bloß aufs Briefeschreiben.
Die Liebe ist schon lange her!

Das Spiel ist ganz und gar verloren.
Und dennoch wird es weitergehn.
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn …