Dieses kleine Büchlein von Ursula K. Le Guin, der amerikanischen Sience Fiction Autorin und Essayistin, hat es mir angetan. Gestern habe ich daraus über den „Beutel“ geschrieben, der früh in unserer Menschheitsgeschichte auftauchte. Heute geht es um ein inneres „Werkzeug“, das uns zu dem werden lässt, was wir sind oder uns zumindest hilft, dass zu werden, was wir sein wollen. Ich spreche von der „Vorstellungskraft“.
Wieder kringele ich Wörter ein und unterstreiche Sätze, brillant, wie die Schriftstellerin ihre Formulierungen bissig, klug und tiefgründig ausbreitet:
„In den USA gilt die Vorstellungkraft meist als etwas, das nur dann von gewissem Nutzen ist, wenn der Fernseher einmal ausfällt. Dichtung und Dramen haben keinen Bezug zur praktischen Poltik. Romane sind etwas für Studierende, Hausfrauen und andere Leute, die nicht arbeiten. Fantastische Literatur ist etwas für Kinder und Primitivlinge. Wir lernen lesen, um Gebrauchsanweisungen entziffern zu können.“
Die Ellenbogen aufgestützt, sitze ich am Schreibtisch, im Fauteuil, im Strandkorb … ist es bei uns nicht ebenso? Ich kenne viele, die nicht (mehr) lesen. Sie hätten dafür keine Zeit, es klingt beinahe abfällig.
„Wir sind eine Spezies des Worts“, schreibt Le Guin. Natürlich gibt es noch so viel mehr, was uns prägt, Bilder, Musik, Bewegungen, die ganze non-verbale Kommunikation (Benita Justus wird uns heute Abend davon erzählen). Aber (!) es sind Wörter, die uns durch den Kopf fliegen, mit denen wir umschmeicheln und verletzten, mit denen wir uns definieren, verteidigen, loben, hassen und lieben, und wieder neugierig verbinden.
Wörter formen unsere Vorstellungskraft… – und da geht es schon los: Werden wir arm an Wörtern, verlieren wir auch unsere Vorstellungskraft. Die „Kreativität“ haben wir schon an die Marketing-ExpertInnen verhökert, inflationär haben wir sie gebraucht, ich gehöre dazu.
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„Auf dem Markt bedeutet Kreativität inzwischen nicht viel mehr, als Ideen zu haben, die sich auf praktische Profitmaximierungsstrategien anwenden lassen.“ Schreibt sie ganz richtig, ich werde es nicht mehr verwenden. Retten wir, was zu retten ist und dazu gehört für Le Guin zuvorderst die „Vorstellungskraft“. Wir werden mit dieser Gabe geborgen.
Als Kind konnte ich mir alles vorstellen, das Absurdeste, konnte Riesin sein und Winzling, in Gehörgänge kriechen und mich in Luft auflösen, konnte fliegen und Luftschlösser erobern. Es gab keinen Unterschied zwischen der einen und der anderen Realität. Ging Euch sicherlich ähnlich.
Nun höre ich viel zu oft: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Das geht nicht. So läuft das nicht … – Wir brauchen wieder Übung, Training, Wörter, denen wir Flügel anheften, Zeit, in der wir uns Wegzuträumen in Möglichkeiten, die das Leben für uns bereithält.
Ich benutze oft das Wort „lauschen“, ich meine damit das aktive Zuhören, von dem auch in diesem Essay die Rede ist. Ich lausche den Geschichtenerzählern. Sie eröffnen mir eine fremde Welt. „Horchen“ ist auch ein schöner Begriff, ich mag ihn. In den Morgen „hineinhorchen“ oder dem Meer „lauschen“.
Lesen ist ebenfalls eine Art des Lauschens, ich bestimme das Tempo, dosiere, wieviel ich aufnehmen möchte. Und genauso ist es mit meinem Schreiben morgens an Euch. Ich lausche dann meinen Gedanken, wie sie klingen, und ob sie mehr sind, als nur ein paar Blusen anzupreisen. (Muss allerdings auch sein.)
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Tut mir leid, nun wird der Beitrag doch länger: Einen wichtigen Punkt verbindet Le Guin mit der Vorstellungskraft, ich habe ein fettes Ausrufezeichen daneben gemacht. „Heimat ist ein Produkt der Vorstellungskraft.“ Hierfür braucht es Vorbilder, die eigenen Leute, die es einem zeigen:
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„Möglich, dass sie keine Blutsverwandten sind. Möglich, dass sie nie dieselbe Sprache gesprochen haben. Möglich, dass sie seit tausend Jahren tot sind. Möglich, dass sie nichts weiter als auf Papier gedruckte Worte sind, nichts als Stimmgeister, nichts als Bewusstseinsschatten. Aber sie können uns den Weg nach Hause weisen. Sie sind unsere Menschengemeinschaft.“
Genug, das muss erst einmal verdaut werden!
Pfingsten hat etwas mit der Vorstellungskraft zu tun…. Was sonst noch, dass werdet Ihr herausfinden.
Eine Frage zum Schluss: Können wir uns noch vorstellen, alles zu sein?!
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